Das Strafverfahren gegen den Gemeindeschreiber von Boswil wegen Rassismus und Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit ist eingestellt worden. Am Donnerstag konnten Interessierte Einsicht nehmen in die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft.
SRF: Der Boswiler Gemeindeschreiber hatte auf Facebook geschrieben, man solle Flüchtlinge an die Wand stellen und ihnen – Zitat – eine 9mm-Impfung verpassen, sie also erschiessen. Ist das nicht ein Aufruf zu Gewalt gegen Flüchtlinge?
Stefan Ulrich: Man kann das so sehen – auf den ersten Blick. Aber die Staatsanwaltschaft schaut halt zwei- und dreimal hin. Sie liest die Gesetze und studiert Entscheide des Bundesgerichts. Und sie kommt zum Schluss, der Kommentar sei nicht strafbar.
Und wie begründet die Staatsanwaltschaft das?
Sie sieht es als Kommentar zu einem Medienbericht über Flüchtlinge, die in Deutschland eine Frau vergewaltigt haben. Die Aargauer Staatsanwaltschaft sagt, es handle sich um eine persönliche Unmutsäusserung des Mannes. Er meine nur die Vergewaltiger und nicht allgemein eine Rasse oder Ethnie. Es hätten auch gar nicht viele Leute diesen Kommentar gelesen. Darum sei es kein öffentlicher Aufruf zu Gewalt.
Der Gemeindeschreiber hatte auch geschrieben, Flüchtlinge würden übers Mittelmeer «böötlen», dabei würden sie alle ihre Ausweise verlieren, aber komischerweise nicht ihre Handys. Ist das denn nicht Rassismus?
Nein, aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht. Der Eintrag habe keinen Bezug zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion. Der Gemeindeschreiber rede allgemein von Flüchtlingen. Er ärgere sich darüber, dass viele von ihnen keine Papiere hätten, wenn sie in die Schweiz kommen. Es sei kein Aufruf zu Hass oder Diskriminierung.
Muss man die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft denn so lesen, dass man so ziemlich alles sagen kann über Flüchtlinge und Asylbewerber?
Nein, das kann man nicht. Aber man kann herauslesen, dass es viel braucht, bis man wegen Rassismus oder öffentlicher Aufforderung zu Gewalt verurteilt wird. Für die Staatsanwaltschaft ist die Meinungsäusserungsfreiheit sehr wichtig. Es müsse möglich sein, Dinge zu sagen, die der Mehrheit nicht passen oder die für viele Menschen schockierend seien. Bestrafen dürfe man nur jemanden, der wirklich öffentlich eine bestimmte Ethnie, Rasse oder Religion diskriminiere, sie also nicht für gleich halte wie andere Menschen.
Der Fall hat ja viel Staub aufgewirbelt, weil die Kommentare nicht von einem normalen Bürger kamen, sondern von einem Gemeindeschreiber. Und dieser hat in seinem Amt mit Flüchtlingen und Asylbewerbern zu tun. Sagt die Staatsanwaltschaft etwas dazu, ob ein Gemeindeschreiber solche Dinge sagen darf oder nicht?
Nein, dazu steht nichts in der Einstellungsverfügung. Dort geht es nur darum, ob die Kommentare als solche strafbar sind oder nicht. Wie eine Gemeinde damit umgeht, wenn ihr Gemeindeschreiber Aussagen auf Facebook publiziert, dazu sagt die Staatsanwaltschaft nichts.
Das Gespräch führte Wilma Hahn