Der Zweitjüngste einer achtköpfigen Familie startete bereits «verstolpert» ins Leben. Das hat sich bei ihm durchgezogen. Aufstehen und stolpern, wieder und wieder. Nun hat er darüber ein Buch geschrieben.
Im Pfarrhaus herrschte eine Gesprächskultur des Schweigens.
Lukas Leuenbergers Kindheit im Steffisburger Pfarrhaus war wenig idyllisch. Da war zwar der kleine Wald rundherum, «aber das Familienklima war so, dass man Probleme zudeckte», erzählt er im Gespräch mit Radio SRF. Das galt für sexuelle Übergriffe eines Bruders wie für Schläge des Vaters.
Endlich war es da, das lebenswerte Leben.
Mit Anfang 20 kam er in die Stadtberner Kulturszene, er versuchte sich als Schauspieler und Regieassistent. Dann hatte er die Idee, Dürrenmatts «Besuch der alten Dame» in Ins aufzuführen. Also rief er den Autor an. Dieser war einverstanden, die Inszenierung 1986 wurde ein grosser Erfolg.
«Da war es um mich geschehen», schreibt Leuenberger. «Endlich war es da, das lebenswerte Leben.» Leider habe er dabei eine Kleinigkeit übersehen: Die Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben.
Mir war der Unterschied zwischen brutto und netto, zwischen Umsatz und Gewinn nicht wirklich geläufig.
Auch die «Schwarze Spinne» in Trachselwald war ein Publikumserfolg. «Ungünstigerweise waren die Eintrittspreise unverantwortlich günstig», schreibt Leuenberger in seinem Buch. Hätte er besser kalkuliert, wäre die Sache glimpflich oder gar rentabel ausgegangen. «Aber dem erreichbaren Erfolg stand erneut mein Dilettantismus im Weg.»
Eine wahre Tragödie
Warum stellte er sich immer wieder selber ein Bein, obwohl er auch Vieles auf die Beine stellte? Eine typische Lukas Leuenberger-Frage. Mit Sprachwitz erzählt er seine Lebensgeschichte, die wohl unter dem Genre ‹Tragödie› laufen würde. Suchte er unbewusst den Misserfolg?
Empfinde ich tatsächlich meine missratene Biografie als mir angemessener als eine mögliche geglückte?
Andere Produktionen von Leuenberger scheiterten am Zeitgeist, so kam seine Inszenierung von Urs Widmers «Jeanmaire» über den Schweizer «Jahrhundertspion» 1992 wohl zu früh. «Man war nicht bereit, Eintritt zu bezahlen, um einer Nestbeschmutzung beizuwohnen.»
Ausgelaufenes Herzblut
Leuenberger gibt Einblick hinter die Kulissen seiner Theaterproduktionen, neben den erwähnten auch «Tell» auf dem Rütli oder die «Dreigroschenoper» in Berlin mit Campino (von den «Toten Hosen»).
Und er berichtet detailliert von seinem späteren Herzensprojekt, dem Kaffeehaus Einstein in der Berner Altstadt: Er hatte die Idee, baute es auf – und holte sich Leute ins Boot, die ihn später ausbooteten. Als «kleinen Wirtschafts-Krimi» beschreibt Leuenberger die Geschichte, die ihn in die grösste Krise seines Lebens stürzte. Und in der er zu schreiben begann.
Aus mir hätte etwas werden können, wenn ich nicht gewesen wäre.
Heute lässt der einstige Shootingstar der Schweizer Theaterszene die Finger von grossen Projekten. «Wenn es um Millionen geht, kommt man in Stress, da würde ich wieder die gleichen Fehler machen», sagt er im Gespräch.
Das will der heute 57-Jährige nicht mehr. Er schreibt in seiner Biografie: «Ein zurückgezogenes Dasein, bar aller Aufgeregtheiten, mag vielleicht insgesamt nicht mehr überwältigend sein, ist aber in meinem Fall der Preis für mehr innere Ruhe.»