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Graubünden As git khai Pointa

Gian-Marco Schmid, bekannt als Rapper Gimma, hat seine Semi-Autobiografie geschrieben. Mit der Idee, ein für alle Mal mit dem Mythos um den Rüppel-Rapper «Gimma» aufzuräumen. Wer je daran zweifelte, ob seine Songtexte von früher wahr sind, wird daran nicht mehr zweifeln.

Gian-Marco Schmid spricht aus, was sich andere nicht einmal trauen zu denken. Da wird gekokst, gevögelt, getrunken, noch mehr getrunken und Geld verprasst. Könnte er seinen Porsche Cayenne selber fahren, wären die Rapper Klischees bedient. Aber Gian-Marco Schmid hat keinen Führerschein. So die Szenerie in der wir uns aufhalten.

Kindliche Stimme zwischen den Zeilen

Aber eigentlich ist es die Geschichte eines Jungen, den man einfach einmal hätte in die Arme nehmen müssen und ihm den Kopf streicheln. Diese kindliche Stimme hört man zwischen den Zeilen, diese Stimme geht in die Knochen und das Explizite, das aus der verhungerten Kinderseele kommt, brennt sich beim Lesen ein.

Familie ist der Ort grösster Geborgenheit und tiefster Verunsicherung. So wird die fehlende Geborgenheit in der Kindheit zum Thema seiner Geschichte. Das Unvermögen seiner Mutter, ihren Jungen emotional auf die Welt vorzubereiten, war Grund dafür, dass er viel zu früh in Kontakt mit Drogen und Gewalt kam. Fast selbstverständlich liest man die Passagen, wie der kleine Gian-Marco am Platzspitz Drogen einkaufen muss oder wie er sich mit Ivan, einem gesuchten Verbrecher, Aktenzeichen XY zu Hause auf dem Sofa ansieht.

Die Gastautorin

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Nora Zukker ist die neue Stimme des SRF 3 Buchtipps. Sie hat Populäre Kulturen, Filmwissenschaft und Neuere deutsche Literaturwissenschaft studiert. Nora Zukker lebt lebt als Autorin und Moderatorin in Zürich. Sie hat das Buch über Rapper Gimma gelesen - und ihre Eindrücke in diesem Text zusammengefasst.

Kaum Raum Gelesenes zu verdauen

Die überwältigende Dichte an Eskapaden lässt aber nur wenig Raum, das Gelesene zu verdauen. Ein einziger Rausch denkt man immer wieder und ist vor den Kopf gestossen, so wie Gian-Marco Schmid vor den Kopf gestossen wurde Jahre lang. Und immer wieder fragt man sich, stimmt das wirklich alles? Würde er mir sein Erlebtes erzählen - bei einem kalten Calanda - dann würde ich ihm an den Lippen hängen. Wenn ich aber mit dem Text alleine bin, dann wäre weniger mehr.

Homöopathischere Dosen hätten dem Buch gut getan, um in den einzelnen sehr eindrücklichen Bildern Inne zu halten. Aber das Leben in homöopathischen Dosen ist wohl auch ein hoher Traum und fern davon, was uns Gian-Marco Schmid vorlegt. Konsequent schreibt er, wie er redet. Auf Churerdeutsch. Das gibt dem Text seinen eigenen Sound, die Unmittelbarkeit und den Witz und schützt Gian-Marco Schmid davor, dass man ihm aus Betroffenheit den Kopf streicheln will. Und das ist auch gut so.

Sendebezug: SRF 1, Regionaljournal Graubünden, 17:30 Uhr.

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