Ernst Ludwig Kirchner habe seine Gemälde immer als Wandbild konzipiert, sagt Thorsten Sadowsky, Direktor des Kirchner Museums in Davos: «Eine solche Präsentation hätte sich Kirchner nicht einfallen lassen».
Im Ausstellungsraum stehen verteilt weisse Podeste. Sie ermöglichen es, die Bilder von beiden Seiten zu betrachten. Darüber ziert ein Zitat die Wand:
Auch ich muss etwas sparen jetzt, und das Material ist sehr kostspielig geworden. Aber die Leinwand hat Gott sei Dank zwei Seiten.
Thorsten Sadowsky zweifelt, dass finanzielle Gründe alleine den Ausschlag gaben. Vielmehr habe der Umzug nach Davos 1918 dem Künstler ermöglicht, sein bisheriges Werk mit neuen Augen zu sehen und auch zu redigieren. Aus dieser Zeit stammten deshalb besonders viele Doppelbilder.
Insgesamt 138 Doppelbilder sind von Ernst Ludwig Kirchner bekannt. Welche Seite als Vorderseite zählt, hat der Künstler in vielen Fällen vermerkt. Beachtet wurde dies nicht immer wie das Beispiel des Bildes «Abschied» (1925/26) zeigt. In den 1980er-Jahren habe der Nachlassverwalter auf der Rückseite unter einer weissen Farbschicht ein Bild entdeckt, erzählt Thorsten Sadowsky. Dieses habe man anschliessend aufwändig restauriert.
Heute werde die Rückseite mit dem Titel «Interieur mit Dodo» (1909) als eines der zentralen Bilder des Expressionismus präsentiert. Die Ausstellung «Der doppelte Kirchner» will auf die Entstehungsgeschichte der Bilder aufmerksam machen und zeigen, wieso welche Seite heute präsentiert wird.
Die Ausstellung «Der doppelte Kirchner – Die zwei Seiten der Leinwand» im Kirchner Museum Davos läuft bis 8. November 2015.
SRF1, Regionaljournal Ostschweiz und Graubünden; 17:30 Uhr; habs