Der Gang vor das Bundesgericht sei «beschlossene Sache», sagte Anita Mazzetta (Freie Liste Verda) am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Mazzetta gehört zur Gruppe jener rund 30 Bündner Stimmberechtigten, welche im Mai 2014 Beschwerde gegen die Parlamentswahlen wegen Verletzung des Stimm- und Wahlrechts erhoben.
Das bestehende Majorz-System, nach dem sonst nur noch in Appenzell Innerrhoden gewählt wird, verletzt in der Meinung der Beschwerdeführer wegen der unterschiedlich grossen Wahlkreise den Grundsatz der Stimmkraftgleichheit in krasser Weise. Im Kreis Chur sind für einen Sitz im Kantonsparlament 2300 Stimmen nötig, im Kreis Avers reichen dafür schon 70 Stimmen.
Der 120-köpfige Grosse Rat trat nicht auf die Beschwerde ein und erklärte sich als nicht zuständig. Das Bündner Verwaltungsgericht behandelte die Beschwerde ebenfalls nicht, weil sie angeblich zu spät eingereicht wurde. Zudem betrachtet sich das Verwaltungsgericht als nicht zuständig in der Sache.
Pult: «Im öffentlichen Interesse
Der Gang nach Lausanne war von den Proporz-Befürwortern einkalkuliert worden. Das höchste Gericht beanstandete schon die Wahlsysteme von mehreren Zentralschweizer Kantonen, darunter jene in Zug, Schwyz und Nidwalden. Gerügt wurde in allen Fällen die unterschiedliche Stimmkraft in den Wahlkreisen.
Es sei wichtig und liege im allgemeinen öffentlichen Interesse, dass diese Beschwerde vom Bundesgericht beurteilt werde, sagte Jon Pult, Präsident der Bündner SP, auf Anfrage. Die SP kämpft seit Jahren für den Proporz, inzwischen Seite an Seite mit der SVP, die bei den letzten nationalen Wahlen im vergangenen Oktober stärkste politische Kraft im Gebirgskanton war.
Das Majorzsystem ist in Graubünden seit Jahrzehnten umstritten. Seit 1937 wurden acht Proporzmodelle zur Volksabstimmung vorgeschlagen. Ein einziges Mal, 2003, siegten die Befürworter des Proporzes. Die Abstimmung wurde jedoch wiederholt, und es gewannen wieder die Verfechter des Majorzes.