Jan Boner weiss um die Vorbehalte der Schafhalter gegen die Herdenschutzhunde. Er ist im Kanton Graubünden zuständig für die Koordination und die Ausbildung der Hunde. An öffentlichen Auftritten wird er oft angefeindet. In den Augen vieler Schafhalter gibt es nur eine Lösung für das Problem mit Grossraubtieren: Wölfe und Bären müssen wieder weg!
Herdenschutzhunde machen Wanderern Angst.
Herdenschutzhunde, die ein Nebeneinander von Raub- und Nutztieren ermöglichen sollen, werden seiner Erfahrung nach oft aus Prinzip abgelehnt.
Es gibt aber auch sachliche Vorbehalte, mit denen Schafhalter gegen den Einsatz von Herdenschutzhunden argumentieren. Am häufigsten hört Jan Boner das Argument: «Herdenschutzhunde machen den Wanderern Angst. Das kann sich ein Tourismuskanton nicht leisten.» Tatsächlich ist es schon zu Zwischenfällen gekommen, wo Hunde ihre Herde auch aggressiv gegen Touristen verteidigt haben.
Der Churer Schafhalter Marco Camastral kennt das Problem. Er lässt seine Schafe seit 2004 von Herdenschutzhunden bewachen und bekommt immer wieder Reklamationen von Touristen, die sich bedroht fühlen. Und dennoch ist er überzeugt, dass es keine Alternative gibt: «Wenn wir in der Schweiz Wölfe haben wollen, dann müssen wir auch die Herdenschutzhunde akzeptieren.»
Laut Jan Boner ist das Thema aber erkannt. In den letzten vier Jahren ist viel in die Zucht und Ausbildung investiert worden: «Wir setzten nicht mehr auf Quantität, sondern auf Qualität. Dank Geldern des Bundes haben wir die Zucht und Ausbildung der Hunde professionalisiert».
Die jungen Hunde sind nicht mehr aggressiv gegenüber den Touristen.
Einer, der sich auf die Ausbildung von Herdenschutzhunden spezialisiert hat, ist Landwirt Reto Pfister aus Schlans. Damit die Hunde eine Schafherde gegen Wölfe verteidigen, werden sie als Welpen schon in einer Herde aufgezogen. So fühlen sie sich verantwortlich für die Schafe. Ohne Schulung verteidigen sie ihre Herde aber eben auch gegen Wanderer. «In der Ausbildung am Hof schicke ich deshalb regelmässig Wanderer mit Stöcken oder Biker am Gehege vorbei. So gewöhnen sie sich an die Präsenz von Touristen und sehen sie nicht mehr als Bedrohung der Herde.»
Die ersten Erfahrungen mit den Herdenschutzhunden der neuen Generation sind denn auch positiv. Schafhalter Marco Camastral ist begeistert: «Die jungen Hunde bewachen die Herde noch besser und sind wirklich nicht aggressiv gegenüber den Menschen, auch wenn fremde Leute auf die Weide kommen, bellen sie nicht.» Ein gewisses Konfliktpotential bleibt aber trotz allem: «Ich habe schon Wanderer beobachtet, die die Hunde mit Stöcken provoziert haben. Das macht natürlich auch gut ausgebildete Hunde wild.»
Für Jan Boner, den kantonalen Beauftragten für Herdenschutzhunde ist deshalb klar: Wirklich funktionieren wird der Herdenschutz nur dann, wenn auch die lokalen Tourismusverantwortlichen hinter dem Konzept stehen und ihre Gäste für das Thema sensibilisieren und über den richtigen Umgang mit den Hunden aufklären.