Am ersten Tag nach seiner Rückkehr aus Sochi ist für den Sportjournalisten Roger Alig klar: eine solche Aufmerksamkeit haben er und seine beiden Kollegen von Radiotelevisiun Svizra Rumantscha RTR noch nie an olympischen Spielen erlebt. Statt zu interviewen wurden sie selber interviewt: «Die Medien-Kollegen haben uns gratuliert, als ob wir die Medaillen gewonnen hätten!» ARD, «Gazetta dello Sport», France Deux – alle interessierten sich plötzlich für die kleinste Schweizer Sprachgruppe und ihre herausragenden Athletinnen und Athleten.
Dazu präsentierte Roger Alig gerne ein Zahlenspiel: «10 Prozent der Schweizer Delegation waren Romanen, auch wenn wir nur ein knappes Prozent der Schweizer Bevölkerung ausmachen.» Und diese 10 Prozent haben dann fast die Hälfte aller Schweizer Medaillen geholt, «grondius!». Dabei ist Roger Alig stets korrekt und streng bedacht, sich nicht mit fremden Federn zu schmücken. Den Snowboarder und Silbermedaillengewinner Nevin Galmarini aus dem Engadiner Dorf Ardez oder Goldmedaillengewinnerin Dominique Gisin, die eng mit dem Engadiner Dorf Champfér verbunden ist, könne man nicht direkt zu den Romanen zählen.
Gratulaziuns – Gratulationen!
Auch bei den Bündner Touristikern schlagen die Herzen höher. «Das Sportlerherz zuerst!» präzisiert Gaudenz Thoma, Direktor von Graubünden Ferien. Die Erfolge der Bündnerinnen und Bündner seien grossartig, doch in klingende Münze liessen sie sich nicht so direkt umsetzen, wie das auf den ersten Blick den Anschein machen könne. Noch würde Athletensponsoring nicht zu den Kernaufträgen von Graubünden Tourismus gehören, erklärt Thoma und ergänzt, dass diese Art Marketing immer wieder im Zusammenhang mit der touristischen Dachorganisation diskutiert oder sogar von ihr gefordert werde. Ihn freue es aber sehr, dass einzelne Destinationen ihre Athleten unterstützen täten. So wie es beispielsweise Davos als Wohn- und Trainingsort von Dario Cologna mit Dario Cologna tut.
Grazcha fich – vielen Dank!
«Das ist das Beste, was uns passieren kann!» strahlt Urs Cadruvi, Generalsekretär der romanischen Sprachorganisation Lia Rumantscha, auf die Erfolge angesprochen. Wenn das Romanische einfach so, «quasi nebenbei und auf natürliche Weise» thematisiert werde, sei das ideal. Als Sprachförderer direkt im Sportsponsoring auftreten zu wollen, sei deutlich schwieriger. Die Lia Rumantscha wollte nämlich schon im Umfeld der Winterspiel in Vancouver romanischsprachige Athleten gezielt fördern, musste das Projekt aber abbrechen, weil die Sponsoren fehlten. Damals zeigte sich auch die hohe Emotionalität der Sprachendiskussion. Dass die Rumantschia nicht nur Freunde hat, erfuhren einzelne Sportler unversehens auch direkt via anonyme Drohschreiben. Das gehe nicht, «die Sportler müssen sich auf den Sport konzentrieren können», war Cadruvis Schluss und darum beschränkt sich die Lia Rumantscha dieses Mal darauf, danke zu sagen. Momentan werde versucht, im April ein Fest auf die Beine zu stellen, einfach «sco grazcha fich da la Rumantschia per las praistaziuns grondiusas dals atlets!»