In keinem anderen Kanton, der dieses Jahr sein Parlament wählt, kommen so wenige Kandidaten auf einen Sitz wie in Graubünden. Für Politologe Clau Dermont hängt dies mit dem Bündner Wahlsystem Majorz zusammen.
«Das Wahlsystem schafft kaum Anreize für viele Kandidaturen», so Dermont. Einerseits, weil es für die Majorzwahlen keine «Wasserträger» braucht. Also keine Kandidaten, die sich nur aufstellen lassen, um Parteienstimmen zu gewinnen. In den übrigen Kantonen, die oben aufgeführt sind, ist dies der Fall.
Das habe aber auch Vorteile, so der Politologe weiter: «Im Gegensatz zu Proporzwahlen weiss man bei Majorzwahlen, dass alle Kandidaten auch wirklich gewählt werden wollen.» Es gebe niemanden, der nur Parteistimmen sammeln will.
Andererseits spielen laut Dermont aber auch die vielen kleinen Wahlkreise eine Rolle: «In Wahlkreisen mit nur einem Sitz ist es schwierig, mehr Stimmen als der bisherige Kandidat zu machen.» Viele potenzielle Kandidaten würden darauf verzichten, Geld für einen Wahlkampf gegen einen «Platzhirschen» auszugeben.
Eine Folge davon: In 15 von 39 Wahlkreisen stehen quasi stille Wahlen an. Das heisst, dass es nicht mehr Kandidaten als Sitze gibt. «In solchen Kreisen werden viele Wahlzettel leer eingeworfen. Die Stimmberechtigten sind also etwas frustriert, keine Auswahl zu haben», so Dermont. So blieb etwa im Bergell vor vier Jahren jeder vierte Wahlzettel leer.
Auch eine Umfrage bei den Bündner Parteien zeigt: sie haben Mühe, Kandidaten zu motivieren. Gerade in den kleinen Wahlkreisen sei das sehr schwierig, heisst es von den Parteispitzen von links bis rechts.
Was die Bevölkerung also frustrieren kann, dürfte die Kandidatinnen und Kandidaten freuen. Ihre Wahlchancen sind entsprechend gross. Drei von vier Kandidaten werden am Sonntag in den Grossen Rat gewählt.