Blähungen, Durchfall, Bauchkrämpfe. Viele Menschen haben das Gefühl, an einer Unverträglichkeit oder Allergie zu leiden. Statt einen Arzt aufzusuchen, greifen viele zu Selbsttests aus dem Internet. Diese kosten zwischen 40 und über 100 Franken. Ernährungsberaterin Diana Studerus vom Gastrozentrum Hirslanden Zürich beobachtet, dass immer mehr Personen mit Ergebnissen von Selbsttests zu ihr kommen: «Die Haaranalyse boomt im Moment.»
Ein Anbieter, der Haaranalysen durchführt – und viel Werbung auf Instagram schaltet –, heisst Medicross Labs. Das Unternehmen, mit Sitz in Vaduz und Labor in Deutschland, schreibt auf seiner Website: «Mit unserem Test erfährst Du, ob Du an einer möglichen Unverträglichkeit leidest.» Lediglich 10 bis 20 Haare würden benötigt. Der Test verspricht, die Haare auf 650 Unverträglichkeiten zu analysieren.
Fehlende wissenschaftliche Grundlage
«SRF Impact» hat den Test gemacht. Host Amila Redzic hat zwei Haarproben bei diesem Anbieter eingesendet. Einerseits eine Strähne ihrer Echthaare, anderseits synthetische Haare einer Perücke.
In den per E-Mail zugestellten Testergebnissen der Echthaare sind über 20 Lebensmittel aufgelistet, die bei der Messung eine starke Reaktion gezeigt hätten. Darunter Milch, Honigmelone oder Weizen. Produkte, die Amila Redzic jedoch ohne Beschwerden konsumiert. Noch erstaunlicher das Resultat der Perückenhaare: Im Ergebnisbericht sind diverse Unverträglichkeiten aufgeführt – etwa auf Pilze oder Tee.
Für Diana Studerus ist klar: «Selbsttests für Unverträglichkeiten sind nicht wissenschaftlich und nicht aussagekräftig.» Es sei nicht möglich, anhand einer Haaranalyse eine Unverträglichkeit nachzuweisen.
Unternehmen stützt sich auf Betriebsgeheimnis
Auf die Frage, mit welchen Verfahren das Unternehmen die Haarproben analysiert, antwortet Medicross Labs schriftlich: «Medicross Labs weist seine Kunden darauf hin, dass es sich bei den Tests nicht um konventionelle, sondern um komplementär- und alternativmedizinische Massnahmen handelt.»
In den AGB des Unternehmens steht weiter: «Die von Medicross Labs angewandten Verfahren, Methoden oder verwendeten Gerätemodelle unterliegen dem Betriebsgeheimnis.» An selber Stelle findet man auch den Hinweis, dass die Tests keine medizinische Diagnose durch einen Arzt ersetzen.
Gefahren von Selbsttests
Andere Unternehmen bieten etwa Allergietests auf Basis von Blutproben an. Die Blutentnahme findet selbstständig zu Hause statt. Noemi Beuret vom Allergiezentrum Schweiz hält die Selbsttests für problematisch: «Man ist auf sich alleine gestellt und hat keine Interpretationshilfe.»
Es gebe zwar Tests, die Hinweise liefern auf eine allergische Bereitschaft. Dies sei jedoch kein Beweis für eine Allergie, betont Beuret. Eine sorgfältige Diagnose umfasse ein Symptom-Tagebuch, ein Gespräch mit einer Fachperson und allfällige weitere Tests.
Bei 80 Prozent dieser Personen sehe ich, dass sie Kriterien für eine Essstörung erfüllen.
Für Ernährungsberaterin Diana Studerus sind Unverträglichkeitstests für zu Hause gar gefährlich. Viele Patientinnen und Patienten würden sich strikt an den Fehldiagnosen orientieren und verzichten ohne Notwendigkeit auf wichtige Lebensmittel. «Bei 80 Prozent dieser Personen sehe ich, dass sie Kriterien für eine Essstörung erfüllen.»