Mindestens acht Jahre alt sollten die Kinder sein. Das empfiehlt das Zürcher Opernhaus den Besucherinnen und Besuchern. Aber bei der Premiere stehen Kinderwagen im Foyer und Kinder in Windeln wuseln durch die Gänge. In der Pause meint ein kleiner Besucher dann, er habe ein bisschen Angst, denn es sei schon ziemlich unheimlich.
Sozialdrama statt Bilderbuchmärchen
Der Regisseur Robert Carsen inszeniert nicht einfach ein gefälliges Weihnachtsmärchen. Bei ihm hausen Hänsel und Gretel im Armenviertel. Der Müll türmt sich und die Wände sind mit Graffitis vollgesprayt. Dass der Vater immer eine Flasche Jägermeister bei sich hat interessiert die Kinder im Publikum kaum. Auch dass die Mutter im Ledermini sich auf der Strasse einen Zustupf verdient, ist eine Anspielung, die wohl nur die Erwachsenen verstehen. Aber diese starken zeitgemässen Bilder setzen einen willkommenen Gegenpunkt zur schweren, süssen Musik von Engelbert Humperdinck. Und sie machen die Märchenoper auch für Erwachsene spannend und packend.
Kinderopern gehören im Opernhaus zur Vorweihnachtszeit, wie der Markt und der Glühwein vor dem Haus. Zum ersten Mal seit vielen Jahren ist es mit Humperdincks «Hänsel und Gretel» wieder ein Klassiker. Und inszeniert ist er genauso präzis und üppig, wie eine Vorstellung für Erwachsene. Der Dirigent Markus Poschner lässt das Orchester in seinen schönsten Farben leuchten. Und auf der Bühne singt ein Ensemble, das auch anspruchsvolle Erwachsene absolut glücklich macht.