Einbürgerungen sind ein heikles Thema. Die Kriterien, wer eingebürgert wird, legen häufig Gemeindebehörden und Ortsverwaltung fest. Worauf diese achten, ist oft Ermessenssache und deshalb umstritten. Im Kanton St. Gallen haben gleich mehrere Einbürgerungswillige, deren Gesuch abgelehnt wurde, Rekurs eingelegt.
Besondere Aufmerksamkeit hat der Fall des 23-jährigen Mergim Ahmeti erregt. Die St. Galler Gemeinde Oberriet will ihn nicht einbürgern. Sein Rekurs ist seit Monaten beim Kanton hängig. Das Beispiel zeige, wie lokale Einbürgerungsräte oft nach kaum überprüfbaren Kriterien urteilten, sagt Walter Leimgruber, Präsident der eidgenössischen Migrationskommission.
SRF News: Im Fall von Mergim Ahmeti argumentierte der Einbürgerungsrat, er sei lokal nicht integriert, er kenne die Restaurants nicht und er halte sich zu wenig im Dorf auf. Wie beurteilen sie die Kriterien dieses Einbürgerungsrats?
Walter Leimgruber: Der Rat hat offenbar eine klare Vorstellung, wie Integration im Dorf funktioniert, nämlich dass man sein ganzes Leben dort verbringt, dass man dort in die Restaurants geht, im Dorf arbeitet, dort vielleicht auch die Ausbildung macht. Das entspricht heute nicht mehr der Realität. Diese Kriterien sind sehr schwierig, weil man sie nicht objektiv festmachen kann.
Das sind alles Kriterien, die nicht wirklich etwas über Integration aussagen und die man nicht überprüfen kann.
Das sieht man an verschiedenen Fällen. Einmal ist es die Vereinstätigkeit, die eingefordert wird, dann soll man die lokalen Restaurants oder die Läden im Dorf kennen. Dann ist es wiederum die Frage, wo sich eine Sammelstelle für Frittieröl befindet oder die Bemerkung, wenn jemand keinen Festnetzanschluss habe, dann sei er nicht im Dorf integriert. Das sind alles Kriterien, die nicht wirklich etwas über Integration aussagen und die man nicht überprüfen kann.
Der Gesetzgeber sieht jedoch einen Ermessensspielraum vor, dass die Einbürgerungsräte der Gemeinde genau solche Kriterien selber definieren können.
Das kommt von der etwas traditionellen Vorstellung, dass Wohn- und Bürgergemeinden eine ganz zentrale Rolle spielen. Unserer Meinung nach ist das ein alter Zopf. Heute wählt man eine Gemeinde aus pragmatischen Gründen. Es hat vielleicht günstigen Wohnraum dort, die Gemeinde liegt verkehrstechnisch günstig, sie liegt vielleicht nahe am Arbeitsplatz. Aber eine grössere Bedeutung hat die Gemeinde für viele Menschen nicht mehr und deshalb müssen wir diese Kriterien überprüfen.
Die objektiv überprüfbaren Fragen können von einer zentralen Stelle, zum Beispiel vom Kanton, beantwortet werden.
Was wäre denn ein faires und objektiv nachvollziehbares Einbürgerungsverfahren?
Die objektiv überprüfbaren Fragen können von einer zentralen Stelle, zum Beispiel vom Kanton, beantwortet werden. Hat diese Person gegen Gesetze verstossen? Wie sind die finanziellen Verhältnisse? Bestehen Schulden? Welche Ausbildung hat die Person, welchen Beruf übt sie aus und wie sind die familiären Verhältnisse und die Wohnsituation? Aufgrund dieser relativ objektiven Kriterien kann ein Einbürgerungsantrag formuliert werden und das genügt.
Die lokale Integration, die von der Gemeinde überprüft wird, gehört für sie nicht dazu?
In der heutigen Gesellschaft, die viele unterschiedliche Lebensentwürfe kennt, kann man nicht von den Leuten verlangen, dass sie sich an ein bestimmtes Modell halten und das nur dieses für Integration spricht. Unsere Gesellschaft setzt stark auf Mobilität, auf die Flexibilität der Menschen, dass diese Chancen nutzen, die sich nicht nur an einem Ort ergeben.
Das Gespräch führte Marcel Niedermann.