Industriearchitektur aus den 60er- und 70er-Jahren prägt das Bild am Rande der Gemeinde Birr. Zum Beispiel die grossen Hallen von Alstom (heute General Electric). Doch dieses Bild soll sich in ein paar Jahren grundlegend ändern.
Bisher werden in den Fabrikhallen bei Birr Turbinen für die Energieerzeugung gebaut. Dafür hat man Produktionsstrassen eingerichtet. In der Halle hat es grosse Krane für schwere Lasten. Die Architektur richtet sich nach dem Produktionsprozess. Die Menschen sind weniger wichtig. Für sie gibt es irgendwo einen Aufenthaltsraum, irgendwo eine Kantine, irgendwo Garderoben.
Doch Schwerindustrie, grosse Werkhallen – sie sind ein Auslaufmodell. Das sagt Architekt und Planer Daniel Kündig. Das Schlagwort heute heisst «Industrie 4.0». Diese ist digital und vernetzt, das weiss man. Aber was man mit dieser Industrie 4.0 dereinst in Birr genau herstellen will, das weiss noch niemand. Deshalb hat Kündig eigentlich eine unmögliche Aufgabe.
Im Auftrag der ABB Immobilien AG, die rund um die GE-Werkhallen in Birr 24 Hektaren Land besitzt, plant Kündig die Industrie der Zukunft. Sein Credo: «Früher baute man eine Hülle rund um die Arbeitsprozesse. Heute geht das nicht mehr. Wir müssen nicht meinen, wir müssten wissen, wie die Gebäude genau aussehen.» Kündig will deshalb vor allem die «öffentlichen Räume» planen. Also die Räume zwischen den Fabriken oder Gewerbebauten.
Noch ist im Gebiet Grossacher/Grändel nichts zu sehen ausser einer Kiesgrube, Parkplätzen und Wiese.
Aber 2024 sollen hier die Bagger auffahren. Sie werden dann das ausführen, was Planer Daniel Kündig und die ABB ersonnen haben. Ihre Überlegungen: Produzieren würden in Zukunft Roboter oder 3-D-Drucker und nicht mehr Menschen.
Damit diese Maschinen aber funktionieren, müssten sehr viele Leute, hoch qualifizierte Leute, zusammenarbeiten. Diese brauchen Räume, um sich zu bilden, zu treffen und zu forschen. Nur: Auch das reiche noch nicht.
«In der neuen Industrie kann man 24 Stunden, 7 Tage die Woche arbeiten. Arbeit und Freizeit verschwimmen. Deshalb braucht es eine hohe Aufenthaltsqualität an diesem Ort.» Was Kündig, die ABB und die Gemeinde Birr planen, ist deshalb nicht einfach eine Industriezone, sondern eine Industriestadt. Und in dieser gibt es auch Läden, Übernachtungsmöglichkeiten, Restaurants und Parks.
Auf dem Plan (unten rechts die Halle von General Electric) sieht man, wie gross das neue Gebiet ist. Aber welche Qualität es dereinst bieten wird, kann man daraus nicht ableiten. Sicher ist: Ein Teil der Qualität werden die Grünräume sein. Und zu diesen gehört auch der so genannte «BBC-Hügel».
Er entstand beim Bau der grossen Industriehalle. Der Humus wurde beim Aushub zu einem grossen Hügel aufgeschichtet. Das war vor 60 Jahren. Heute stehen Bäume auf dem Hügel, die auch schon 50 Jahre alt sind. «Der Hügel ist sehr wichtig für Birr», sagt Gemeindeammann René Grütter.
«Wir sind froh, dass er bleibt. Denn in den heutigen Industriezonen braucht es auch grüne Lungen.» Grütter sagt, er spüre in der Gemeinde keinen Widerstand gegen den Masterplan im Gebiet Grossacher/Grändel. «Wir sehen in der neuen Sonderzone eine Chance.» Er will nicht von einem neuen «Silicon Valley» in Birr träumen. Aber neue, moderne Arbeitsplätze würden der Gemeinde gut tun, nachdem die traditionelle Industrie in den letzten Jahren gelitten hat.