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Nach knappem Rennen in Polen Rechtskonservativer Karol Nawrocki gewinnt Stichwahl

  • Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat die Präsidentenwahl in Polen knapp für sich entschieden.
  • Der Sieg des 42-jährigen EU-Skeptikers lässt Veränderungen am aussen- und innenpolitischen Kurs des Landes erwarten, das in der Europäischen Union und der Nato eine wichtige Rolle spielt. 
  • Bis zuletzt zeigten Prognosen ein knappes Rennen.

Auf den politisch unerfahrenen Historiker Nawrocki entfielen nach Auszählung aller Stimmen demnach knapp 51 Prozent der Stimmen in der Stichwahl. Sein Gegenkandidat, der proeuropäisch eingestellte Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, kam auf etwas mehr als 49 Prozent.

Amateurboxer und Historiker an der Staatsspitze

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«Wir werden siegen und Polen retten. Wir werden nicht zulassen, dass Donald Tusks Macht sich festigt», sagte Nawrocki nach Bekanntgabe erster Prognosen. Er war bislang Direktor des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), eine Art polnisches Pendant zur mittlerweile aufgelösten Stasi-Unterlagen-Behörde in Deutschland.

Für Aufsehen – und Sympathien bei manchen Wählern – sorgte immer wieder seine Vergangenheit als Amateurboxer in jungen Jahren und als Türsteher während des Studiums in einem Luxushotel mit möglichen Kontakten ins Rotlichtmilieu.

Beide Kandidaten bekamen mehr als zehn Millionen Stimmen, Nawrockis Vorsprung betrug etwa 370'000 Stimmen. Ein Grund für die Niederlage Trzaskowskis könnte sein, dass das liberale und linke Lager sein Wählerpotenzial nicht ausgeschöpft hat.

Mann in Anzug lächelt bei einer Veranstaltung mit applaudierenden Menschen im Hintergrund.
Legende: Karol Nawrocki macht das knappe Rennen bei der Stichwahl um das polnische Präsidentenamt. Reuters/Aleksandra Szmigiel

Nawrocki ist offiziell parteilos, trat aber als Kandidat der rechtskonservativen PiS an, Polens grösster Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brüssel.

Tusk hoffte auf einen Sieg Trzaskowskis

Das seit Dezember 2023 regierende Mitte-Links-Bündnis von Donald Tusk versuchte, mit Reformprojekten vieles davon zurückzudrehen. Doch der bisherige Präsident Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, hatte diese mit seinem Veto gebremst.

Tusk hat im Parlament nicht die nötige Mehrheit von 60 Prozent, um Vetos des Präsidenten aufzuheben. Der polnische Regierungschef hoffte deshalb auf einen Wahlsieg seines politischen Mitstreiters Trzaskowski. Der 53-jährige Warschauer Oberbürgermeister gilt innerhalb seines politischen Lagers als progressiv und links. Als Staatsoberhaupt hätte er Tusks Kurs stützen können.

Im ersten Wahlgang Mitte Mai hatte keiner der Kandidaten die erforderliche Mehrheit von mindestens 50 Prozent erreicht. Trzaskowski hatte damals knapp vorn gelegen. Das extrem rechte Lager hatte allerdings überraschend grossen Zulauf erhalten.

Nawrocki will sich von der EU nichts vorschreiben lassen

Polen ist ein wichtiger Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das Land mit knapp 38 Millionen Einwohnern sieht sich auch selbst von Moskau bedroht und rüstet massiv auf. Anders als in der Slowakei, Ungarn oder Rumänien gibt es in Polen keinen ernstzunehmenden Politiker, der prorussische Positionen vertritt. In der wichtigsten aussenpolitischen Frage, der Unterstützung für die Ukraine, zogen Duda und Tusk denn auch an einem Strang.

Dies könnte sich mit Nawrocki ändern, der zum Beispiel gegen einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine ist. Während sich mit Tusk als Regierungschef das Verhältnis zwischen Warschau und Berlin entspannte, vertritt Nawrocki eher die Deutschland-feindliche Linie der PiS und suchte im Wahlkampf die Nähe zu US-Präsident Donald Trump. Nawrocki erneuerte die Forderung nach Reparationen für die Schäden, die Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg in Polen angerichtet hat. Von der EU will sich Nawrocki, das hat er betont, für Polen nichts vorschreiben lassen.

In Polen amtiert der Präsident fünf Jahre. Er hat Einfluss auf die Aussenpolitik, ernennt den Regierungschef sowie das Kabinett und ist im Kriegsfall Oberkommandierender der polnischen Streitkräfte. Vor allem aber kann er der Regierung mit seinem Vetorecht das Leben schwer machen.

Tagesschau, 01.06.2025, 19:30 Uhr ; 

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