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Anti-Corona-Proteste in China Chinas Covid-Politik führt zu den grössten Demos seit Jahrzehnten

  • In China hat die strenge Corona-Politik am Wochenende zu den grössten Protesten seit Jahrzehnten geführt.
  • In der Hauptstadt Peking und anderen Millionenstädten gingen Demonstranten zu Hunderten auf die Strassen.
  • Auch in Schanghai waren in der Nacht zum Sonntag vor allem junge Leute zu einem Protestmarsch unterwegs.
  • Auslöser der jüngsten Proteste war ein Wohnungsbrand am Donnerstagabend in der nordwestchinesischen Stadt Ürümqi, bei dem mindestens zehn Menschen getötet und weitere neun verletzt wurden.

Auf Videos von Schanghai, die sich trotz staatlicher Zensur im Internet verbreiteten, waren Rufe wie «Nieder mit der Kommunistischen Partei! Nieder mit Xi Jinping!» zu hören. Unter dem jetzigen Staats- und Parteichef verfolgt die Volksrepublik eine strikte Null-Covid-Strategie.

Screenshot aus einem am 27. November 2022 veröffentlichten Video: Polizisten greifen bei der Demo in Schanghai ein.
Legende: Screenshot aus einem am 27. November 2022 veröffentlichten Video: Polizisten greifen bei der Demonstration in Schanghai ein. Reuters

Solche offenen Proteste sind in dem autoritär regierten Riesenland mit mehr als 1.4 Milliarden Einwohnern extrem ungewöhnlich. Für die Menschen, die offen ihre Meinung äussern, sind sie überaus riskant.

Kerzen und Blumen liegen auf der Strasse. Dahinter stehen Menschen mit Plakaten und weissen Zettel.
Legende: Die Demonstranten gedachten der zehn Personen, die bei einem Hochhausbrand in Ürümqi umkamen. SRF

Zunächst handelte es sich bei der Menschenversammlung im Zentrum Schanghais um eine friedliche Mahnwache für die zehn Personen, die bei dem Hochhausbrand in Ürümqi ums Leben gekommen waren. Viele sind der Meinung, dass die Rettungsarbeiten durch die strengen Corona-Massnahmen behindert wurden.

Wohnungsbrand als Auslöser für die Proteste

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Bei dem Wohnungsbrand in Ürümqi in der Provinz Xinjiang waren mindestens zehn Menschen getötet und weitere neun verletzt worden. Etliche Anwohner kritisierten in sozialen Netzwerken, dass die rigiden Corona-Massnahmen den Kampf gegen das Feuer erschwert hätten. Bewohnern sei die Flucht ins Freie durch abgeschlossene Wohnungstüren erschwert worden.

In Ürümqi war zuvor einer der längsten Lockdowns Chinas verhängt worden. Viele der vier Millionen Einwohner dürfen nun wegen der steigenden Corona-Fallzahlen ihre Wohnungen bis zu 100 Tage nicht verlassen.

Doch im Laufe der Nacht wandelte sich die Kundgebung in einen offenen Protest gegen die Regierung und die geltenden Corona-Beschränkungen.

Einschätzung von SRF-China-Korrespondent Samuel Emch

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Wie gross die Proteste inzwischen geworden sind, sei schwierig zu sagen, erklärt SRF-China-Korrespondent Samuel Emch, denn offizielle Schätzungen gebe es nicht. «Gestern waren es wohl mehreren Hundert, heute Sonntag sind jedoch Tausende zumeist junge Leute auf der Strasse. Im Gegensatz zu gestern ist der Protest aber meist still.»

Die Zahl sei allerdings auch sekundär, denn bemerkenswert sei, dass es überhaupt zu solchen Protesten in Schanghai kommt.  «Bemerkenswert sind auch die Forderungen nach der Aufhebung der Null-Covid-Politik, nach mehr Freiheit und nach dem Rücktritt von Präsident Xi Jinping.» Insbesondere die Kritik an der Zentralregierung und die Rücktrittsforderungen in Richtung des Präsidenten seien aussergewöhnlich, so Emch. «Wenn es mal zu Protesten kommt, dann werden in der Regel die lokalen Behörden adressiert, nicht Präsident Xi Jinping.»

Direkt nach den lautstarken Forderungen löste die Polizei den Protest in Shanghai dann auch mit einem Grossaufgebot auf. Am Sonntag versammelten sich die Leute an gleicher Stelle wieder.

Proteste auf dem Campus, durchbrochene Zäune in Wohnanlagen

Auch auf dem Campus der Tsinghua-Universität in Peking – der Alma Mater von Xi Jinping – versammelten sich am Sonntag mehrere Hundert Studenten. Auf Videos war zu sehen, wie sie leere Blätter Papier in die Luft hielten – aus Protest gegen die Repressionen, mit denen der Staat gegen kritische Stimmen vorgeht.

Protestiert wurde am Sonntag auch auf dem Campus der Tsinghua-Universität in Peking.
Legende: Protestiert wurde am Sonntag auch auf dem Campus der Tsinghua-Universität in Peking. Screenshot/Reuters

Eine junge Frau sagte: «Wenn wir uns aus Angst nicht zu Wort melden, enttäuschen wir unser Volk. Als Tsinghua-Studentin würde ich dies für den Rest meines Lebens bereuen.» Die Menschenmenge entgegnete daraufhin euphorisch, dass sie keine Angst haben solle. Anderswo in Peking durchbrachen Bewohner in mehreren Nachbarschaften Zäune ihrer Wohnanlagen und forderten ein Ende der Lockdowns.

In Schanghai kam es auch am Sonntag trotz viel Polizei und weiträumigen Absperrungen wieder zu Protesten mit mehreren hundert Teilnehmern. Auf Videos war zu sehen, wie Demonstranten abgeführt wurden. Bis auf wenige Supermärkte sind praktisch alle Geschäfte in der Metropole geschlossen. Die Strassen sind bis auf lange Schlangen vor PCR-Teststationen menschenleer.

Zu Protesten kam es auch in Städten wie Wuhan, Chongqing und Ürümqi.

China in der Sackgasse?

Angesichts der steigenden Corona-Zahlen befindet sich China nach Meinung von Beobachtern in einer Sackgasse. Die Gesundheitskommission rechtfertigt sich damit, dass eine Öffnung viele Tote zur Folge hätte. Auch Ärzte warnen, dass das Gesundheitssystem hoffnungslos überlastet wäre, sollte sich das Virus frei verbreiten. Doch in der Bevölkerung wächst der Ärger. Für den schnellen Anstieg werden die neuen Omikron-Varianten verantwortlich gemacht, die sich leichter verbreiten.

Chinesische Null-Covid-Strategie

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China verfolgt eine Null-Covid-Politik, die weitreichende Lockdown-Massnahmen nach sich zieht. Der Anstieg der Infektionszahlen macht es weniger wahrscheinlich, dass China seine strikte Politik bald lockern wird. Die Lockdowns und die globale Wirtschaftsflaute bremsen die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt jedoch aus.

Trotz des harten Vorgehens der Behörden steigen die Corona-Zahlen weiter an: Am Sonntag registrierte die nationale Gesundheitskommission mit mehr als neuen 39'000 Fällen den vierten Tag in Folge einen Rekordwert. Jede einzelne Ansteckung führt dazu, dass ganze Wohnsiedlungen abgeriegelt und sämtliche Infizierte in Quarantäne-Spitäler gebracht werden.

Während der Rest der Welt mit dem Virus lebt, hält China an seiner Strategie fest. Auch nach fast drei Jahren Pandemie sind die Grenzen weitestgehend geschlossen.

Die Regierung steht auch in der Kritik, weil deutlich wird, dass die Behörden seit Ende 2019 die meisten Kapazitäten für ständige Massentests und Lockdowns genutzt haben. Vorbereitungen für einen Weg aus der Pandemie wurden nur unzureichend getroffen. Die Impfquote für die Bevölkerung liegt bei rund 90 Prozent, doch gibt es ausgerechnet bei den Alten erhebliche Impflücken: Nur 40 Prozent der Menschen über 80 haben bisher zwei Impfungen und einen Booster erhalten.

SRF 4 News, 27.11.2022, 5:00 Uhr ; 

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