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Menschenrechtsgericht stärkt Privatsphäre am Arbeitsplatz
Aus Rendez-vous vom 05.09.2017. Bild: Imago
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Urteil aus Strassburg «Auch Schweizer Arbeitgeber dürfen Einschränkungen machen»

Wie weit darf der Arbeitnehmer seine geschäftliche E-Mail-Adresse privat nutzen? Die Frage stellt sich auch in der Schweiz. Das geltende Recht beantwortet sie nur zum Teil, sagt Thomas Geiser, Professor an der Universität St. Gallen.

  • Weil ein Ingenieur in Rumänien unter anderem seiner Verlobten gerne Nachrichten vom Geschäfts-E-Mail aus hatte zukommen lassen, wurde er entlassen.
  • Begründung: Er habe seine E-Mail zu oft für private Zwecke missbraucht.
  • Der Mann akzeptierte die Entlassung nicht und ist damit bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gezogen – und hat Recht bekommen.
  • Die Strassburger Richter haben dabei auch klar definiert: Unternehmen dürfen Mails und Chats ihres Personals nur unter bestimmten Voraussetzungen überwachen.

SRF News: Hat das Urteil Folgen für die Schweiz?

Thomas Geiser: Das ist nicht ganz einfach zu beurteilen. Was in Strassburg entschieden worden ist, gilt grundsätzlich auch in der Schweiz, es galt aber auch schon bisher. Es ist selbstverständlich, dass solche Überprüfungen – das Abhören von Telefonen und das Lesen von E-Mails – nur zulässig sind, wenn der Arbeitgeber im Voraus die Arbeitnehmer darüber informiert hat, das so etwas geschehen könnte, das so etwas möglich ist und allenfalls gemacht wird.

Wie ist der Umgang mit privater Internetnutzung bei der Arbeit in der Schweiz geregelt? Gibt es ein Gesetz oder kommt es auf den Arbeitgeber an?

Es gibt keine klare gesetzliche Regelung. Es gibt den Persönlichkeitsschutz, den Datenschutz und das Arbeitsvertragsrecht. Daraus ergibt sich, dass die Privatsphäre des Arbeitnehmers zu wahren ist. Die Frage ist, wie weit der Arbeitnehmer seine geschäftliche E-Mail-Adresse auch privat nutzen darf.

Die Arbeitgeberin muss bei privaten Mails die Vertraulichkeit wahren, so weit das möglich ist.

Hier kann die Arbeitgeberin Einschränkungen machen. Das ist heute viel einfacher möglich als früher, weil der Arbeitnehmer auch übers Handy im Büro eine private Mail verschicken kann, ohne dass er dafür die Geschäfts-E-Mail-Adresse benutzen muss. Aber es ist immer möglich, dass private Mails von aussen kommen, das kann man nicht beeinflussen. Die Arbeitgeberin muss bei privaten Mails jedoch die Vertraulichkeit wahren, so weit das möglich ist.

Welche Handhabungen sind in Schweizer Betrieben üblich?

Es gibt Betriebe, die vorsehen, dass keine privaten Mails über das Geschäftsmail verschickt werden dürfen. Das streng einzuhalten, ist aber nicht ganz einfach. Erstens weil wie gesagt private Mails zugesandt werden können und zweitens, weil nicht immer ganz klar ist, was ein privates und was ein berufliches Mail ist. Aber solche Einschränkungen gibt es und es ist selbstverständlich, dass der Arbeitnehmer nicht einfach Stunden mit privaten Mails verbringen darf während der Arbeitszeit.

Es stellt sich auch die Frage, ob das als Arbeitszeit gilt, wenn ich zuhause am Abend noch ein geschäftliches Mail lese.

Wie oft kommt es denn zu Problemen, weil Arbeitnehmer im Büro das E-Mail-Programm oder das Internet privat nutzen?

Fest steht, in Arbeitsverhältnissen kommt es selten zu Problemen. Aber zu Fragen der privaten Nutzung von Mail und Internet gibt es immer wieder Prozesse und Auseinandersetzungen, bei denen man einzelnen Arbeitnehmern vorwirft, sie hätten zu viel Zeit dafür aufgebracht, statt für den Arbeitgeber tätig zu sein.

Braucht es also Anpassungen in der Gesetzgebung?

Es ist eine der grossen Fragen, ob es Anpassungen im Gesetz braucht. Eine weitere Frage ist, wie flexibel das Arbeitsgesetz sein soll. Es gibt Bestimmungen über maximale Arbeitszeiten, da stellt sich auch die Frage, ob das als Arbeitszeit gilt, wenn ich zuhause am Abend noch ein geschäftliches Mail lese. Ich meine: ja.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

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