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Bericht zur Russlandaffäre Wenn das Ende noch lange nicht das Ende ist

Es ist historisch. Noch nie in der Geschichte der USA hat ein Sonderermittler untersucht, ob sich ein anderes Land, hier Russland, in die US-Wahlen eingemischt hat; ob sich der siegreiche Kandidat, hier Donald Trump, mit dem Land verschworen hat; und ob dieser Präsident die Justiz behindert hat.

Die Untersuchung hat ganz Washington, teilweise das ganze Land fast zwei Jahre lang auf Trab gehalten und endlos Energie verbraucht – sei es bei den Untersuchungsbehörden, im Kongress, in den Redaktionsstuben, oder last but not least bei den Familienfeiern an Thanksgiving.

Trumps Wahlkampfteam im Visier

Die Untersuchung hat vieles ans Tageslicht gebracht. Beispielsweise dass die Russen die Wahlen 2016 beeinflusst haben und E-Mails der Demokraten hackten und über Wikileaks veröffentlichten. Insgesamt über 30 Personen wurden angeklagt, mehrere Mitarbeiter aus Trumps-Wahlkampfteam wurden wegen ihren Russlandkontakten der Lüge überführt. Vier machten Schuldeingeständnisse. Trumps ehemaliger Wahlkampfchef Paul Manafort muss wegen Steuer- und Bankbetruges mehrere Jahre ins Gefängnis.

Gestern Abend nun hat Robert Mueller dem Justizminister William Barr seinen Schlussbericht vorgelegt. Dieser hat versprochen, er werde innert weniger Tage das Wichtigste zusammenfassen und es anschliessend dem Kongress – und damit wohl der amerikanischen Öffentlichkeit – bekannt machen.

Viele Medien vermelden unisono, es werde zu keinen weiteren Anklagen mehr kommen. Wenn das stimmt, ist es für das Team Trump eine sehr gute Nachricht. Weder Donald Trump jr. noch Schwiegersohn Jared Kushner noch sonst jemand muss mit einer Strafverfolgung durch Mueller rechnen.

Keine Anklage gegen den Präsidenten

Der Tatbestand der Verschwörung mit einer feindlichen Nation scheint für den Sonderermittler nicht gegeben, oder – das ist auch möglich – nicht abschliessend beweisbar. Das ist sehr bemerkenswert und von vielen Beobachtern und Experten so nicht erwartet worden. Keine Anklage wäre auch «good News» für den Präsidenten: Das könnte bedeuten, dass auch er in der ganzen Mueller-Untersuchung für unschuldig befunden wurde.

Es könnte aber auch heissen, dass Mueller ihn nicht anklagt, weil Richtlinien des Justizdepartements das nicht vorsehen. Um all dem auf den Grund gehen zu können, fordern die Demokraten die Veröffentlichung des ganzen Berichts.

Denn sie wollen wissen, wie Mueller zu seinen Resultaten gekommen ist. Und auch wenn Anklagen vom Tisch sind, so ihr Kalkül, könnte immer noch viel Kompromittierendes über Trump bekannt werden. Das müssten alle Amerikaner wissen, um sich ein besseres Bild vom Präsidenten zu machen.

Andere Untersuchungen laufen weiter

Die Demokraten könnten das natürlich politisch ausschlachten. Das heisst, sie könnten den Präsidenten in den Negativschlagzeilen halten und gegebenenfalls ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Auch die Mueller-Untersuchung selbst wird noch lange Nachwehen haben. Und sie wird längst nicht das Ende der Untersuchungen gegen Präsident Trump sein.

Die Demokraten haben im Kongress auch noch ihre eigenen Untersuchungen am Laufen. Und weitere Behörden ermitteln fast überall, wo Trump irgendwie Spuren hinterlassen hat: rund um seinen Immobilienkonzern, seine Businessdeals, seine Wahlfeier, seine mutmasslichen Affären, you name it. Das heisst: das Ende heute ist noch lange nicht das definitive Ende.

Peter Düggeli

USA-Korrespondent, SRF

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SRF-Korrespondent Peter Düggeli arbeitet seit Sommer 2015 in Washington. Er ist seit 2010 bei SRF. Düggeli studierte an der Universität Freiburg Geschichte und Englisch und schloss sein Studium 1999 mit einem Lizenziat ab.

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