Nach langem Hickhack, das seine Partei in eine tiefe Ungewissheit gestürzt hat, hat Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi seine Kandidatur für das Premieramt angekündigt.
«Berlusconi hat heute seine Bereitschaft bekundet, als Premierkandidat am Wahlkampf teilzunehmen. Er hat schliesslich die Parlamentswahlen 2008 gewonnen. Als Titelträger hat er das Recht, seine Kandidatur einzureichen», kündigte der Chef der Berlusconi-Partei «Volk der Freiheit» (PdL – Popolo della liberta), Angelino Alfano, an.
Monti die Gefolgschaft verweigert
Die PDL entzog der Regierung von Ministerpräsident Mario Monti faktisch die Unterstützung, indem die Fraktion vor einem Vertrauensvotum über die Wirtschaftspolitik geschlossen den Senat verliess. Damit wuchs das Risiko, dass das EU-Land mitten in seinem Kampf gegen die Schuldenmisere in eine Regierungskrise gerät.
Hinter Montis seit einem Jahr amtierender Technokraten-Regierung steht bisher neben Berlusconis Partei der Freiheit (PDL) auch die Demokratische Partei (PD).
Vorgezogene Neuwahlen?
Der PD-Chef Pier Luigi Bersani sagte, sollte die PDL Monti auch beim zweiten Votum die Gefolgschaft verweigern, sei es an Staatspräsident Giorgio Napolitano, über vorgezogene Wahlen zu entscheiden.
Bersani selbst ist Spitzenkandidat des Mitte-Links-Bündnisses für die Parlamentswahl, die bisher im Frühjahr 2013 geplant ist. Wenige Monate zuvor fängt es nun in der italienischen Politik kräftig an zu brodeln.
Will Berlusconi wieder Immunität?
Ex-Regierungschef Berlusconi hatte schon am Mittwochabend signalisiert, er könne doch noch ein Comeback versuchen. Der 76-Jährige war Ende Oktober zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs verurteilt worden und hatte sich bisher widersprüchlich zu seinen politischen Ambitionen in der Zukunft geäussert.
Um die Immunität erhalten zu können, die in Italien Parlamentariern gewährt wird, wäre Berlusconi fast gezwungen, sich zumindest einen Sitz im Parlament zu sichern.
Die wachsende Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr Berlusconis auf die politische Bühne veranlasste Industrieminister Corrado Passera zu einer deutlichen Warnung: Alles was dem Rest der Welt einen Rückschritt signalisieren könnte, sei nicht gut für Italien, sagte er im Fernsehen.
PDL-Fraktion verlässt Senatssaal
Diese Aussage sorgte für Verärgerung unter den Abgeordneten von Berlusconis Mitte-Rechts-Partei. Noch vor der ersten Vertrauensabstimmung trat die PDL-Fraktion geschlossen den Rückzug aus dem Sitzungssaal an.
Der Senat votierte schliesslich mit 127 Stimmen für das Kabinett Monti. Es gab 17 Nein-Stimmen und 23 Enthaltungen. Die Senatoren aus Berlusconis Lager wählten mit ihrem Auszug einen eher symbolischen Schritt, denn mit ihren Gegenstimmen hätten sie Monti direkt zu Fall bringen können.
Auch im Abgeordnetenhaus wollten Berlusconis Anhänger der Vertrauensabstimmung fernbleiben. Damit wolle die PDL ihre Kritik an der Wirtschaftspolitik Montis zum Ausdruck bringen, erklärte Fraktionschef Fabrizio Cicchitto.
«Nicht am Abgrund»
Staatspräsident Napolitano erklärte am späten Donnerstagnachmittag, er werde die Lage in den kommenden Stunden bewerten. Es gelte, ein turbulentes Ende der Regierung zu verhindern.
Finanzminister Vittorio Grilli betonte, die Situation sei schwierig. Aber das Land stehe nicht am Abgrund. Die Regierung bleibe ihrem Reformkurs verpflichtet. Grilli mahnte, die europäischen Partner und die Finanzmärkte beobachteten Italien.