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International Chefredaktor wird zum Staatsfeind

Der «Guardian» ist dem Establishment lästig. Ständig sorgt das linksliberale Blatt mit Enthüllungen für Aufsehen. Zuletzt mit den Dokumenten des einstigen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden. Nun muss Chefredaktor Alan Rusbridger vor einem britischen Parlamentsausschuss aussagen.

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Alan Rusbridger: Portrait des aufmümpfigen Guardian-Chefs
aus Rendez-vous vom 03.12.2013. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 31 Sekunden.

Der äussere Eindruck trügt: Mit seinem wirren Haarschopf, dem schläfrigen Blick hinter der runden Brille und dem zerknautschten Sakko sieht Alan Rusbridger auch mit 60 Jahren noch immer ein bisschen aus wie ein ewiger Student: Etwas zerstreut und völlig harmlos.

Doch ausgerechnet dieser hervorragende Hobby-Klavierspieler und -Kinderbuchautor wird nun von Premierminister David Cameron als Staatsfeind gebrandmarkt. Bei Al-Kaida reibe man sich die Hände vor Freude über die Enthüllungen des «Guardian», meinte sogar der Chef des Geheimdienstes, Sir John Sawers.

Panikmache auf Kosten der Pressefreiheit

Die Vorladung im Parlament wird Rusbridger nicht von seinem Kurs abbringen. Kürzlich sagte er in einer Journalistenrunde, es sei üblich, dass Regierungen die nationale Sicherheit als Vorwand nähmen, um die Pressefreiheit einzuschränken.

Für ihn ist es darum keine Frage: Seine Zeitung musste Snowdens Dokumente veröffentlichen, sagte er der BBC. Fundamentale Fragen zur Überwachung von Millionen von Menschen lägen nun auf dem Tisch. Die Debatte darüber sei überfällig. Die Behörden jedoch wollen diese ersticken und setzen den «Guardian» seit Wochen unter Druck: mit Gerichtsverfahren und mit der Forderung, Dokumente auszuliefern.

Recherchierjournalismus auf die Fahne geschrieben

Seit 18 Jahren ist Rusbridger Chef des «Guardian» – eine Ewigkeit im heutigen Medienwesen. Er mischte die zuvor etwas verschlafene linksliberale Zeitung tüchtig auf. Statt wie früher reflexartig gegen die Monarchie und die konservativen Tories anzuschreiben, pflegt das fast 200 Jahre alte Blatt nun den Recherchierjournalismus.

Ob es um das Telefon-Hacking durch die Gazetten von Medienzar Rupert Murdoch ging, um die Wikileaks-Papiere, um die miserablen Arbeitsbedingungen für Ausländer im Fussball-WM-Land Katar: Stets ist der «Guardian» an vorderster Front dabei.

Aufgaben: Neutral sein, beobachten, darstellen

Zwar sank die Auflage des Blattes, wie jene seiner Konkurrenten, massiv. Bloss noch 190'000 Exemplare werden heute verkauft. Doch guardian.co.uk gehört zu den fünf wichtigsten internationalen Informations-Webseiten und erreicht pro Monat 30 Millionen Nutzer. Die Stimme des «Guardian» reicht damit weit über das Mutterland hinaus. Und sie ist eine zunehmend mutige, aufmüpfige und unabhängige Stimme.

Alan Rusbridger ist selbst weder ein eloquenter Redner noch ein glanzvoller Schreiber. Er eckt an, etwa wenn er zum Thema Terrorismus etwas sagt. Ein Journalist müsse nicht Partei ergreifen. Klar, Terrorismus sei ein Übel. Aber die Aufgabe einer Zeitung sei nicht, ihn zu verdammen, sondern aufzudecken, wie er funktioniere. Die Presse sei kein Staatsorgan und handle weder im Interesse noch im Auftrag eines Staates.

Der Unabhängigkeit dient natürlich, dass der «Guardian» einer Stiftung gehört. Nicht Gewinne zu erwirtschaften, sondern Transparenz herzustellen sieht Rusbridger als Hauptaufgabe. Auch in eigener Sache. Auf der «Guardian»-Webseite steht, Rusbriger verdiene jährlich 395'000 Pfund. Dies nachdem er sich selber eine satte Lohnkürzung verpasste. Denn so sehr die Zeitung journalistisch blüht, wirtschaftlich darbt sie.

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