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International Der Opium-Anbau in Afghanistan boomt – trotz Gegensteuer

90 Prozent des Opiums, Grundstoff für Heroin, stammt aus Afghanistan. Nach einem Bericht der UNO ist die Opiumproduktion 2013 das dritte Jahr in Folge angestiegen. SRF-Korrespondentin Karin Wenger war dort und erzählt von Gewalt und fehlendem Unrecht-Bewusstsein.

Karin Wenger, Sie waren gerade im Nordosten Afghanistans, in Nangarhar. Auch hier ist die Situation um den Opium-Anbau eskaliert. Wie gewalttätig ist die Lage vor Ort?

Porträt von Karin Wenger, Radio SRF Südasien-Korrespondentin.
Legende: Karin Wenger, Radio SRF Südasien-Korrespondentin. SRF

Karin Wenger: Die Situation ist extrem gewalttätig. In den vier Tagen in denen ich dort war, gab es jeden Tag und jede Nacht Angriffe der Taliban – auf den Flughafen, und auf die Lastwagen, die aus Pakistan kommen. Die Provinz liegt ja gleich an der Grenze zu Pakistan. Gestern gab es einen Angriff in der Nachbarprovinz, bei dem 14 Soldaten getötet wurden. Heute gab es eine Vergeltung der afghanischen Soldaten. Also jeden Tag gab es gewalttätige Vorkommnisse.

Dabei galt doch Nangarhar bis vor wenigen Jahren als Musterprovinz im Kampf gegen den Opium-Anbau.

Genau. Es war eine Musterprovinz, vor allem auch, weil der Gouverneur als sehr stark galt. Er erliess 2007/08 ein Verbot zum Anbau von Opium, das er auch durchsetzen konnte. Weil er sehr stark war, gut vernetzt war, viel Geld hatte, und weil er viele Versprechen machte zusammen mit der internationalen Gemeinschaft.

Die Bauern haben dann gehofft, dass diese Versprechen zum Beispiel gute Bewässerungskanäle, mehr Schulen, und so weiter, eingelöst werden. Die Bauern wurden aber enttäuscht. Heute ist Nangarhar sehr viel unsicherer als zuvor. Und die Taliban sind wieder auf dem Vormarsch. Mit dieser Unsicherheit ist auch die Opium-Produktion wieder stark angestiegen.

Warum hat sich dann die internationale Gemeinschaft, darunter die Nato, die USA, nicht nachhaltiger eingesetzt im Kampf gegen den Opium-Anbau?

Weil sie das nie zu ihrem Ziel gemacht hat. Es war nie in ihrem Fokus. Nun wollen sie 2014 die internationalen Truppen abziehen. Die Bekämpfung des Opium-Anbaus steht also sowieso nicht mehr im Fokus der internationalen Truppen.

Für die Taliban ist der Opium-Anbau aber sehr wichtig. In wie weit finanzieren sie sich durch den Opium-Verkauf?

Ich kann nicht sagen wie viel Prozent sich die Taliban durch den Opium-Anbau finanzieren. Lokale Bauern erzählten mir, dass sie einen Viertel des Profits durch Verkauf von Opium, an die Taliban als Steuern abliefern müssen. Die Taliban finanzieren sich aber auch aus den Einnahmen von anderen illegalen Geschäften. Und sie werden natürlich auch vom Ausland finanziert – unter anderem von Saudi-Arabien.

Die lokalen Polizei-Kräfte haben nun aber dennoch einen Effort unternommen und sind ausgerückt, um diese Opiumfelder zu zerstören. Sie waren dabei. Wie war das?

Die Zerstörung der Opium-Felder fand am Samstag statt; mit eineinhalb Monaten Verspätung. Das hat damit zu tun, dass die lokalen Sicherheitskräfte sich enorm fürchten. Im letzten Jahr wurden 48 Polizisten umgebracht, beim Versuch die Opium-Felder zu zerstören. Die Taliban haben Sprengsätze gelegt in den Feldern, auf den Strassen haben sie direkt geschossen.

Wir fuhren in ein Gebiet, eineinhalb Stunden von der Hauptstadt Jalalabad entfernt. Das Fahrzeug vor uns wurde einmal beschossen, dann kam es aber zu keinen weiteren Vorkommnissen mehr. Danach haben die Polizisten aber zwei Stunden lang diskutiert, ob jetzt begonnen werden soll oder nicht. Wo begonnen werden soll, und wer die Führung übernimmt. Daran erkennt man ihre grosse Angst.

Und hat dann diese Aktion auch stattgefunden?

Ja, sie hat stattgefunden. Aber meines Erachtens war das eine Show, es hatte eher Symbolwirkung. Wir gingen in die Felder, wo es letztes Jahr noch kein Opium gab. Dort gab es nur ganz kleine Felder, versteckt zwischen den Weizenfeldern, versteckt in den Innenhöfen. Die Frauen standen in den Feldern. Sie weinten und klagten, dass die Polizisten, die die Opium-Felder zerstören, ihre Existenz zerstören würden. Es waren nicht die grossen Felder, die da angegriffen wurden. Das wäre viel zu gefährlich gewesen.

Wie stehen denn die lokalen Bauern zum Opium-Problem?

Für sie ist es eine gute Einnahmequelle. Die Bauern, deren Felder nun zerstört worden sind, sagten, ihnen seien Wasserkanäle versprochen worden. Das Versprechen sei aber nie eingelöst worden. Opium brauche sehr viel weniger Wasser als Weizen und werfe einen sehr viel grösseren Profit ab. Das heisst, es war pure Not von diesen Bauern.

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aus Echo der Zeit vom 15.04.2013. Bild: Karin Wenger, SRF
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 57 Sekunden.

Das heisst die Bauern haben kein Unrecht-Bewusstsein? Es geht ihnen dabei einfach darum, zusätzliche Einnahmen zu erhalten?

Absolut. Und interessant ist, dass das Unrecht-Bewusstsein nicht nur bei diesen Bauern nicht vorhanden ist, sondern auch bei den Händlern. Ich war in Kabul im Gefängnis und habe einen der ganz grossen Händler getroffen. Er wurde mit 400 Kilogramm Heroin erwischt.

Er ist ein Hadji, das heisst er hat die Pilgerreise nach Mekka gemacht, ist ein religiöser Mann. Und als ich mit ihm gesprochen habe, sagte er ganz klar: «Ich habe all mein Geld in Afghanistan investiert. Ich habe für dieses Land gearbeitet. Ich war dem Gouverneur und der Regierung nahe. Was ich getan habe, ist nichts Unrechtes.»

Es wird hier komplett anders angeschaut. Er sagte auch, der Profit werde nicht hier in Afghanistan gemacht, sondern im Ausland. Und er hat zu einem grossen Teil recht: Nur fünf Prozent des Profits, der mit Heroin gemacht wird, wird hier in Afghanistan gemacht. Der ganze Rest fliesst in Taschen von ausländischen Händlern und der Mafia.

Das Gespräch führte Peter Voegeli.

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