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International «Ego-Shooter-Games unterstützen die Fantasie von Amokläufern»

Amokläufer haben ein gemeinsames Merkmal: Sie sind jung und männlich. Und sonst? Die Täter von Winnenden, Erfurt und München spielten alle das Ballerspiel Counter-Strike. Gibt es da einen Zusammenhang? Der Forensiker und Psychiater Josef Sachs erzählt aus der Praxiserfahrung.

SRF News: Die Amokläufer von Winnenden, Erfurt und München haben alle intensiv Schiessgames gespielt. Sind solche Spiele schuld an diesen Taten?

Josef Sachs: Killerspiele alleine sind nie schuld. Es müssen viele Faktoren zusammenkommen, damit es zu einem Amoklauf kommt. Die Täter sind meist in einem Umfeld aufgewachsen, in dem Gewalt akzeptiert oder gar verherrlicht wird. Oft geht der Tat eine monate- oder gar jahrelange Fehlentwicklung voraus. Diese Jungen waren zunehmend frustriert, bauten einen Hass gegenüber anderen und der Welt im Allgemeinen auf. Häufig wurden sie auch vom sozialen Umfeld abgelehnt. Das Spielen von Ego-Shooter- und Online-Taktik-Shooter-Games kommt dann oft zu diesen Umständen hinzu, freilich aber nicht immer.

Zur Person

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Bis vor dreiviertel Jahren arbeitete Josef Sachs als Gerichtspsychiater des Kantons Aargau und war Leiter der Forensik der Klinik Königsfelden in Brugg (AG). Nun arbeitet er in seiner eigenen Praxis. Sachs macht Begutachtungen von Gewalttätern für Gerichte und Staatsanwaltschaften und behandelt Straftäter.

Erfurt, Winnenden, München

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Der Amoklauf von Erfurt ereignete sich 2002 am Gutenberg-Gymnasium. Dabei erschoss ein 19-Jähriger 16 Menschen. Der Amoklauf von Winnenden ereignete sich 2009 in der Albertville-Realschule. Der 17-Jährige tötete 15 Menschen. Der jüngste Amoklauf fand vergangene Woche in München im Olympia-Einkaufszentrum statt. Der 18-Jährige tötete 9 Menschen.

Die Täter haben vor so einer Tat nicht schon Gewalt ausgeübt?

Es mag überraschen – aber viele Amokläufer waren vor der Tat nicht gewalttätig im eigentlichen Sinn. Vielmehr ecken sie verbal an, indem sie Gewalt akzeptieren und diese bagatellisieren.

Was machen die Ballerspiele bei Jugendlichen mit einer solchen Vorgeschichte?

Täter erzählen mir in meiner Praxis immer wieder, dass die Ego-Shooter-Games ihre Fantasie unterstützt haben. Sie spielen ihre Gewalttaten bereits vorher im Kopf mehrfach durch. Am Anfang tun sie dies meist spielerisch, ohne die Absicht, eine Tat auch tatsächlich auszuführen. Irgendwann findet ein fast unmerklicher Übergang von der spielerischen Fantasie zu einer fast generalstabsmässigen Planung einer Gewalthandlung statt.

Die Schiessspiele setzen ihrer Meinung nach also eine Gewaltspirale in Gang?

Die Spiele wirken bei Jugendlichen mit der entsprechenden Disposition wie eine Art Lernprogramm. Sie lernen etwa, wie man Gewalt ausüben und Strategien anwenden kann. Zudem machen die Spiele die Jugendlichen bis zu einem gewissen Grad unempfindlich gegenüber Gewalt. Der Schrecken ist weg und somit wird auch die Schwelle kleiner, Gewalt auszuüben.

Haben nur Ballerspiele eine solche Wirkung oder lässt sich das für alle Medien sagen, in denen Gewalt vorkommt – etwa Filme oder Bücher?

Ego-Shootern-Spielen wie Counter-Strike oder andere sind speziell gewaltfördernd, weil der Spieler selber handelt. Wenn man selber handelt, lernt und verinnerlicht man solche Taten intensiver, als wenn man es nur sieht, hört oder liest.

Ist es Zufall, dass die Täter von Winnenden und Erfurt und München alle intensiv Counter-Strike gespielt haben?

Ich glaube nicht, dass speziell dieses Spiel gewaltfördernder wäre als andere Ego-Shooter-Games. Counter-Strike ist einfach sehr verbreitet unter den Jungen. Sicher kein Zufall ist, dass gewaltbereite Jugendliche gerne solche Games spielen. In solchen Spielen können sie ihre Gewaltfantasien ausleben.

Was sollen Eltern tun, wenn sie merken, dass sich ihr Sohn zurückzieht, und oft Ego-Shooter-Games spielt?

Jugendliche ziehen sich häufig zurück und spielen Killergames und andere Spiele. Das tun nicht nur gewaltbereite Jugendliche, sondern auch ganz normal aufgewachsene. Solchen Eltern rate ich nicht, Killergames zu verbieten. Das könnte eine gegenteilige Wirkung haben, Junge könnten aus Trotz noch intensiver spielen. Eltern sollten mit ihrem Sohn oder ihrer Tochter darüber sprechen, können alternative Freizeitangebote aufzeigen. Es kann auch helfen, auf andere Computer-Spiele hinzuweisen, die genauso interessant sind.

Das Gespräch führte Christa Gall.

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