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International Ein Kind stirbt, das Weltgewissen regt sich

Millionen sind geflohen, Hunderttausende gestorben. Geschichten über das Leid der syrischen Flüchtlinge sind Legion, und doch bleibt es unfassbar. Das Bild eines Jungen, tot an der Küste des rettenden Europa angespült, macht es auf erschütternde Art greifbar. Eine Expertin erklärt, warum.

SRF News: Was hat das Bild des toten Jungen bei Ihnen ausgelöst?

Ulla Autenrieth

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Ulla Autenrieth ist Medienwissenschaftlerin an der Universität Basel, spezialisiert auf visuelle Kommunikation. Ihre Dissertation hat sie zum Thema «Bilderwelten der Social Network Sites» geschrieben.

Ulla Autenrieth: Es ist ein Bild, das einen emotional nicht kaltlassen kann. Es hat mich sehr tief und nachhaltig berührt. Ich habe einen Sohn im gleichen Alter, insofern spricht mich das sehr direkt an. Allein schon die Situation des Vaters: er sitzt gemeinsam mit seiner Familie im Boot, und jetzt muss er damit leben, dass seine beiden Söhne und seine Frau umgekommen sind. Das Bild entfaltet eine ungeheure Symbolkraft und ruft eine unglaubliche Emotionalität wach.

Das Bild wird auch bei Ihnen haften bleiben?

Auf jeden Fall. Ich würde es in eine Reihe stellen mit dem ikonischen Bild des Mädchens aus dem Vietnam-Krieg, das vor den Napalm-Bomben flüchtet. Auch dieses Bild ist heute, viele Jahre später, noch sehr präsent im visuellen Gedächtnis der Menschen. Das Bild des toten Jungen könnte eines der Bilder sein, das für diese humanitäre Katastrophe sinnbildlich stehen bleiben wird.

Das Bild könnte für diese humanitäre Katastrophe sinnbildlich stehen bleiben.

Diskutiert wird auch darüber, dass es heuchlerisch ist, sich allzu stark von diesem Bild beeindrucken zu lassen – mit dem Argument, dass man schon sehr lange weiss, was mit den Flüchtlingen geschieht. Braucht es ein solches Bild überhaupt noch?

Aylan in Kobana beigesetzt

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Der auf der Flucht nach Europa ertrunkene dreijährige Aylan ist in seiner nordsyrischen Heimatstadt Kobane zusammen mit seinem Bruder und seiner Mutter beigesetzt worden. «Ich hoffe, dass meine Geschichte die Menschen dazu bringt, den Flüchtlingen mehr zu helfen,» sagte Vater Abdullah.

Die Tatsache, dass man es weiss, ist nicht davon zu trennen, dass man dieses Wissen weiter trotzdem teilen möchte. Man möchte seine eigene Betroffenheit kommunizieren, sich darüber austauschen. Gerade ein solches Bild, das unglaublich viele Emotionen wachruft, weckt das Bedürfnis, sich darüber auszutauschen. Zum anderen erleben wir, dass sich auch sehr viele rechtsnationale Vereinigungen über soziale Medien gruppieren und es sehr viele fremdenfeindliche Kommentare gibt. Ich kann mir vorstellen, dass es bei vielen Personen, die das Bild teilen, darum geht, dem zu begegnen. Sie wollen aufzeigen, welche Tragödie sich abspielt.

Sie haben gesagt, das Bild wirke bei Ihnen auch, weil Sie selbst einen Sohn im gleichen Alter haben. Wirkt das Bild eines Kindes in einem solchen Zusammenhang anders als das einer erwachsenen Person?

Davon kann man ausgehen. Es gab auch schon andere Bilder, die sich sehr stark viral verbreitet haben aus der Syrien-Krise. Etwa dasjenige eines Vaters mit einem schlafenden Mädchen auf dem Arm, der Stifte verkauft hat. Dadurch, dass es diesen Kinder vergleichsweise gut ging – sie waren am Leben, sie wurden von ihren Eltern umsorgt – hatten sie nicht die Dramatik dieses einsam am Strand liegenden, toten Kindes. Wenn man kleine Kinder sieht, sorgt man sich um sie. Man will, dass es ihnen gut geht, dass sie positiv aufwachsen können. Das ist die normale Reaktion. Wenn ein Kind schutzlos umgekommen ist, bewegt das unglaublich.

Das Gespräch führte Daniel Eisner.

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