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International «Eine Wahl zwischen schlecht und schlechter»

Auch in der Schweiz lebende Iraner verfolgen die Wahlen in ihrem Heimatland mit. Sie schwanken zwischen Frust, Freude und Furcht. SRF News hat nachgefragt, bei Menschen, die sich zu äussern scheuen. Und bei anderen, die darauf brennen.

Mit besonders grossem Interesse verfolgen auch Iranerinnen und Iraner in der Schweiz die Wahlen im ehemaligen Persien. Auf ihre Stimmung hin befragt, bringen sie ganz verschiedene Gefühle zum Ausdruck.

Freude, «weil sich die westlichen Medien endlich für ihr Heimatland interessieren». Frust, da die Wahlen, vom Wächterrat vorbeeinflusst, «nicht demokratisch sind». Und schliesslich Angst: Die einen fürchten sich vor politischen Konsequenzen, wenn sie öffentlich ihr Geburtsland kritisieren. Die anderen sparen nicht mit Kritik und haben gar die Sorge, dass die europäischen Medien zu «zurückhaltend und vorsichtig» von den Wahlen berichten.

Iraner in der Schweiz

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Gemäss dem Bundesamt für Statistik zählt die Schweiz 4637 Irannerinen und Iraner, die bereits mehr als ein Jahr in der Schweiz leben (Stand: 2014).

Die Wahl «zwischen Pest und Cholera»

Nassim* betont, dass es für Iraner «unumgänglich» sei, die Wahlen zu verfolgen. Denn «sowohl in iranischen als auch in persischsprachigen Medien im Ausland bestimmen die Wahlen seit Tagen die Headlines.»

Ungeachtet dessen ist er ernüchtert bis verdrossen, was den Wahlausgang betrifft. «Wenn jemand bei diesen Wahlen politische Veränderung erwartet, sofern er nicht zu den Opportunisten oder politischen Scharlatanen gehört, ist er zutiefst naiv», so Nassim. Und wenn er verdeutlicht, dass rund 55 Millionen Bürger «die Wahl zwischen schlecht und schlechter haben», steht er mit seiner Meinung nicht allein. Arash* erörtert, dass das Volk «zwischen Pest und Cholera» entscheide.

Einige der Kandidaten der Reformer waren früher an Ermordungen von Oppositionellen aktiv beteiligt.

Prekäre Vorgeschichte der Wahlen

Die iranischen Stimmen in der Schweiz kritisieren unisono die Vorgeschichte der Wahlen. «Obwohl die Reformisten ihre wichtigen Persönlichkeiten nicht aufgestellt haben, da sie wussten, dass sie nicht durchkommen werden, und von Anfang an versuchten, mit B- oder C-Prominenz an der Wahl teilzunehmen, hat der Wächterrat über 80 Prozent ihrer Kandidaten abgelehnt», so Nassim.

Ferner sei der Wahlkampf für die Reformisten schwierig gewesen, da dieser «oft von Schlägertruppen der Ordnungskräfte torpediert und ihre Meetings von Volksmilizen gestürmt» worden seien. Und schliesslich finde «keine Debatte zwischen den Kandidaten aus verschiedenen Lagern statt, da die meisten Medien überwiegend in den Händen der Hardliner» seien.

Auch unter Rohani sitzen weiterhin Hunderte von politischen Gefangenen hinter Gittern.

Die befragten Iraner setzen aber – was Europäer überraschen mag – auch wenig Hoffnung in die Reformisten. «Man muss im Vornherein sagen, dass einige Kandidaten der Reformer früher als verantwortliche Politiker an vielen Repressalien und Ermordungen von Oppositionellen aktiv beteilgt waren», gibt etwa Nassim zu bedenken.

Und Arash, der sich selbst als «säkular orientiert» bezeichnet, schlägt die gleiche Saite an: Die Konservativen und Reformer hätten einen gemeinsamen Nenner. Beide wollten dieses System aufrechterhalten. Und im Rahmen der heutigen Verfassung könne kein Übergang zur Demokratie vollzogen werden. «Denn der Souverän ist nach diesem System nicht der Mensch, sondern Gott.»

Potenzial des Landes nicht verkennen

Auch in Rohani setzt Arash keine Hoffnung: «Im Iran sind nach dessen Amtsübernahme mehr Hinrichtungen durchgeführt worden als zuvor. Und es sitzen weiterhin Hunderte von politischen Gefangenen hinter Gittern.»

Die Schweiz rühmt sich, vier Landessprachen zu haben. Der Iran hat zwölf.

Mohammad* warnt indes davor, das «Potenzial des Landes», insbesondere die «Human Ressources» zu verkennen. Leider, so schickt er voraus, sei der Westen mit anderen Themen wie Syrien, dem IS, den Flüchtlingen und «eigenwirtschaftlichen Vorteilen» beschäftigt. Und er hegt einen innigen Wunsch: «dass der Westen künftig nicht nur ein wirtschaftliches Interesse am Iran zeigt, sondern auch ein gesellschaftliches, wissenschaftliches, kulturelles.»

Insbesondere für die Schweiz, die so stolz auf ihre Diversität sei, hält Mohammad eine Botschaft bereit: «Die Schweiz rühmt sich, vier Landessprachen zu haben. Der Iran hat zwölf.» Solche Aspekte solle der Westen endlich respektieren – statt «dem Iran laufend mit dem Mahn- und Drohfinger zu begegnen».

Miteinander statt voneinander lernen

Nassim hegt ein ähnliches Unbehagen, was die westliche Sicht auf den Iran betrifft. «Das Denken in binären Strukturen hilft nicht weiter und ist immer eine Konstruktion», betont er. Gefragt, was denn Ost und West voneinander lernen könnten, erwägt er: «Vielleicht sollte es weniger ein 'Voneinander-Lernen' sein als vielmehr ein 'Gemeinsam-Miteinander-Lernen', um den Problemen und Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.»

*Namen von der Redaktion durchgehend geändert.

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