In Kroatien hat die Erde gebebt. Sieben Menschen kamen dabei ums Leben, viele mussten ihre Häuser verlassen. Die «Standard»-Journalistin Adelheid Wölfl war vor Ort und berichtet über die aktuelle Lage.
SRF News: W ie haben Sie das schwere Beben von gestern erlebt?
Adelheid Wölfl: Das Beben kam wie aus dem Nichts. Ich bin gesessen und der Stuhl hat sehr stark gewackelt. Erst habe ich gedacht, es könnte ein schwerer Lastwagen vorbeigefahren sein. Aber dann habe ich gemerkt, dass auch die Erde bebt und nicht nur der Stuhl. Dann ist Panik und Angst ausgebrochen. Das hat bislang nicht aufgehört, weil die Beben permanent weitergehen. Es waren kleinere Beben. Doch um etwa halb sieben morgens bebte es wieder ganz stark, so 4.8 oder 4.7 auf der Richterskala. Ich bin aufgewacht, weil der Raum so gewackelt hat. Man weiss nie, ob noch ein grosses Beben kommt, ob es der Anfang oder das Ende war.
Es gibt Strassen mit riesigen Klüften, man sieht tief in die Erde hinein.
Wie sieht die Situation aktuell im Epizentrum nahe der Kleinstädte Sisak und Petrinja aus?
In Sisak und Petrinja sind einige ältere Häuser komplett eingestürzt und sehr viele Autos sind durch Schutt und Ziegel begraben worden. Es gibt dort Strassen mit riesigen Klüften, man sieht tief in die Erde hinein. Zudem herrscht grosse Trauer um sieben Menschen, die durch die Trümmer zu Tode gekommen sind. Teilweise haben Menschen in Autos übernachtet, teilweise im Freien, in Zelten. Es hat sehr stark geregnet und viele Menschen sind durchnässt. Sie trauen sich aber nicht, zurück in die Häuser zu gehen.
Zuletzt hatte die Erde in Kroatien im Frühjahr gebebt. Nun kommt die Corona- Pandemie dazu. Was macht das alles mit der Bevölkerung?
Prinzipiell ist es so, dass man sich bis am 8. Januar in Kroatien nicht bewegen soll. Man soll nicht in die benachbarten Gespanschaften fahren (Anm. der Red.: Gespanschaften sind selbstverwaltete Regionen in Kroatien, vergleichbar mit den Kantonen in der Schweiz). Das bedeutet, dass die Leute wegen der Corona-Massnahmen nicht flüchten können. Und sie stehen unter doppeltem Stress, denn es ist ihnen auch nicht möglich, die Familienangehörigen zu treffen, da grosse Versammlungen verboten sind. Maximal zehn Menschen dürfen sich treffen. Das macht auch Hilfseinsätze schwieriger.
Man darf sich während eines Bebens in Städten nicht auf der Strasse aufhalten, weil Ziegel und Steine herunterfallen.
Wie gut ist das Land die Region dort generell gegen Erdbeben gerüstet?
Das Hauptproblem ist, dass es sehr viele alte Häuser gibt, die baufällig sind bei einem Beben zusammenbrechen. Kroatien ist ein armes Land. Viele Menschen können es sich nicht leisten, ihre Häuser zu restaurieren oder neu zu bauen. Das hat man auch im März in Zagreb gesehen, viele Häuser sind nicht erdbebensicher. Das bedeutet, dass man sich während eines Bebens in Städten nicht auf der Strasse aufhalten darf, weil Ziegel und Steine herunterfallen. Das ist auch für den Strassenverkehr sehr gefährlich.
Was bedeutet dieses Beben für den Kampf gegen die Pandemie? In Kroatien hat sich die Lage zuletzt etwas entspannt.
Zuletzt waren innerhalb von 24 Stunden wieder 1350 Menschen neu infiziert worden. Es sind noch immer so etwa 7600 Leute infiziert und viele im Spital. Die Lage ist wirklich nicht entspannt, sondern nur etwas besser geworden. Das Problem ist vor allem ein finanzielles. Es ist nicht so einfach, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen abzufedern. Nun kommen noch die Schäden des Bebens dazu. Natürlich muss die Regierung jetzt auch Hilfestellungen anbieten.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.