Vor gut drei Wochen hatte der schwarze Schauspieler Jussie Smollett bekannt gegeben, er sei in Chicago von zwei Männern angegriffen worden. Sie hätten rassistische und homophobe Parolen geschrien, ihm einen Galgen um den Hals gebunden und mit Bleichmittel überschüttet. Nun hat die Polizei Smollett verhaftet. Er soll den Anschlag auf sich selber inszeniert haben.
Nach dem vermeintlichen Angriff schrieb die demokratische Senatorin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris Ende Januar auf Twitter, der Angriff sei eine moderne Form des versuchten Lynchmords. Sie und zahlreiche andere Politiker sowie Aktivisten reagierten damals besorgt und entrüstet auf den vermeintlichen Angriff auf einen schwarzen Schauspieler in Chicago.
Smollett ist nicht nur schwarz. Er gehört auch zur relativ kleinen Gruppe von Hollywood-Schauspielern, die sich öffentlich als schwul geoutet hat.
«Die Attacke auf Jussie Smollett unterstreicht den Hass, den schwarze Homosexuelle in den USA erleben», hiess es in einer Newsanalyse in der «Washington Post» am nächsten Tag. Auch andere Kommentatoren sahen sich darin bestätigt, wie gehässig es in Trumps Amerika zu und her geht.
Die Geschichte hat in unser Weltbild gepasst.
Zu ihnen gehörte auch der Kolumnist Jonathan Capehart. Auf dem Nachrichtensender MSNBC stellt er jetzt im Nachhinein selbstkritisch fest: «Die Geschichte hat in unser Weltbild gepasst.»
Die Umstände und wie Smollett die Geschichte erzählte, passten zur Realität, wie viele Menschen sie seit der Wahl von Donald Trump wahrnehmen. Dies hab es möglich gemacht, dass viele Amerikaner die Version der Geschichte Smolletts nicht angezweifelt hätten, so Capehart.
Ein gefundenes Fressen für Fox News
Für rechtskonservative Kommentatoren ist die Verhaftung des schwarzen Schauspielers und die mutmasslich inszenierte Attacke auf ihn ein gefundenes Fressen.
Der Fall Smollett zeige klar, dass die angebliche Welle von rassistisch motivierten Angriffen auf Schwarze in den USA von der linken Presse erfunden sei, echauffiert sich etwa Tucker Carlson von Fox News. Die USA seien kein Land des Hasses. Nirgends sei die Willkommenskultur grösser als in Amerika.
Warum Jussie Smollett den Angriff auf ihn inszeniert haben soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Für die echten Opfer von rassistisch motivierten Angriffen sei dieser Fall ein Tiefschlag, heisst es jetzt in diversen Kommentaren in der amerikanischen Presse.
Noch vor einer Woche hatte Smollett in einem Interview mit «Good Morning America» gesagt, es sei wichtig, Opfer zu respektieren. Wenn man über einen solchen Angriff lüge, dann tue man allen echten Opfern grosses Unrecht an.
Wollte Smollett seiner Karriere voranbringen?
Chicagos Polizeichef Eddie Johnson rang sichtlich um Worte, als er am Donnerstag die Ermittlungsergebnisse kommentierte. Smollett habe Ängste vor rassistischen Angriffen dazu genutzt, um seine Karriere vorwärts zu birngen. «Ich bin ratlos – und frage mich, weshalb jemand so etwas tut.»
Auch die demokratische Präsidentschaftskandidatin Harris meldete sich nach der Verhaftung Smolletts erneut auf Twitter zu Wort: Sie sei «frustriert, traurig und enttäuscht», dass jemand solch falsche Anschuldigungen mache.