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International EU-Asylpolitik: Nothilfe und Abschreckung

Die EU ist überfordert mit dem Flüchtlingsstrom aus Nahost. Darum rückt jetzt die Türkei in den Fokus. Einerseits soll die türkisch-griechische Grenze besser kontrolliert werden und andererseits soll Ankara vor Ort mehr Unterstützung in der Bewältigung der Flüchtlingssituation erhalten.

Die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei ist dicht. Der einzige bisher unkontrollierte Landabschnitt ist seit Dezember 2012 durch einen Zaun gesichert. Der restliche Grenzverlauf wird durch den Fluss Evross bestimmt. Nach der Fertigstellung des 12,5 Kilometer langen und drei Meter hohen Bauwerks ist die Anzahl illegaler Einreisen in die EU von 55'000 im Jahr 2011 auf heute praktisch null gesunken.

Griechenland ist dabei natürlich keineswegs vom grossen Flüchtlingsstrom verschont geblieben. Die Asylsuchenden haben sich vom Landweg verabschiedet und die viel gefährlichere Überfahrt auf dem Meer auf sich genommen – trotz Seerettung der EU sind Hunderte dabei ertrunken.

Grenzsicherung auch zur See

Nun weitet die EU ihren Militäreinsatz gegen Schlepper aus. Neu dürfen die beteiligten Soldaten auch Schiffe von Menschenschmugglern stoppen und durchsuchen und nicht nur mehr Schiffbrüchige retten – auch ausserhalb der libyschen Küstengewässer.

Fast gleichzeitig hat die EU am Dienstag zusammen mit der Türkei einen ersten Entwurf eines Aktionsplans präsentiert, der Europa vor mehr Flüchtlingen verschonen soll. Teil des Plans wäre die strengere Kontrolle der griechisch-türkischen Grenze durch die Küstenwachen der beiden Länder.

Dieter Freiburghaus

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Der Politologe und Publizist ist emeritierter Professor für Institutionelle Politik und Europäische Integration. Freiburghaus arbeitete am Institut de hautes études en administration publique (IDHEAP) in Lausanne (1988 bis 2007).

Flüchtlinge sollen nicht nach Europa kommen

Für EU-Experte Dieter Freiburghaus ist das Ziel dieser Politik klar: «Die EU soll weniger attraktiv werden als Fluchtgebiet.» Diese Politik hält er für realpolitisch geboten, denn eine Flüchtlingswelle wie sie Deutschland im Spätsommer ausgelöst habe, sei für die meisten EU-Staaten nicht zu bewältigen.

Die EU sei zu lange mit den Krisen in Griechenland und der Ukraine beschäftigt gewesen und habe es deshalb verpasst, nachhaltige Lösungen für den Syrienkrieg und seine Folgen zu finden, sagt Freiburghaus. Jetzt auf verstärkte Grenzsicherung zu setzen sei vielleicht unschön, aber völkerrechtlich zulässig; andererseits müsste bei jedem in der EU ankommenden Flüchtling geprüft werden, ob er asylberechtigt sei.

Jetzige Situation wird andauern

Für den Experten ist die jetzige Situation moralisch ein riesiges Problem, denn das phasenweise Abhalten und Aufnehmen von Flüchtlingen werde wohl noch einige Jahre andauern. Er gibt aber zu bedenken: «Glatte, moralisch richtige Lösungen sind nicht mehr möglich.»

Vor diesem Hintergrund hat die EU mit Verspätung Gespräche mit der Türkei aufgenommen, um den Flüchtlingen vor Ort zu helfen. Freiburghaus glaubt, dass weniger Flüchtlinge aus der Türkei nach Europa reisen würden, wenn die Bedingungen dort annehmbarer seien.

Moralisch einwandfreie Lösungen sind nicht mehr möglich
Autor: Dieter Freiburghaus Emeritierter Professor für institutionelle Politik

Im gemeinsam entworfenen Aktionsplan will die EU bis Ende 2016 bis zu einer Milliarde Euro aufwenden, um die Türkei bei der Bewältigung ihres Flüchtlingsproblems zu unterstützen. Es geht dabei um medizinische, administrative, und rechtliche Unterstützung und um einen besseren Zugang zu Bildung für die Flüchtlinge.

Unterstützung für die Türkei

Dazu sollen auf türkischem Boden sechs neue Empfangszentren für Flüchtlinge entstehen, die von der EU mitfinanziert werden. Ob und wann diese Massnahmen umgesetzt werden können ist jedoch fraglich. Nur einen Tag nach der Präsentation der Pläne hat sich die Erdogan-Regierung wieder davon distanziert.

Der SRF EU-Korrespondent Oliver Washington gibt auch zu bedenken, dass die jetzige Politik der EU dazu führe, dass die Flüchtlinge gefährliche Routen wählen müssen, wenn sie trotz der Abschreckungsmassnahmen nach Europa gelangen wollen. «Die EU nimmt dies offensichtlich in Kauf, weil der Wille nicht da ist, Flüchtlinge in grosser Zahl gleichsam direkt in die Union einzufliegen.»

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