Wie sieht ein Atomkraftwerk aus, das bezahlt und geliefert, aber nach Jahrzehnten immer noch nicht fertiggebaut ist? Eine Antwort auf diese Frage gab es bei einem Besuch im Jahr 2011. In riesigen Depots am Strand von Angra dos Reis, zwischen Rio de Janeiro und Sao Paulo, lagerten Tausende von Einzelteilen, luftdicht verpackt und eingeschweisst in Plastikhüllen.
Ein Augenschein sieben Jahre später zeigt: Es sieht noch immer so aus. Angra 3 – das ist die brasilianische Variante eines Nukleardesasters. Die Bauruine war schon in die Jahre gekommen, als die Politik 2009 den Impuls gab, das AKW doch noch ans Netz gehen zu lassen. Und zwar mit Vollgas.
3000 Arbeiter schufteten in Schichten rund um die Uhr, zogen das Reaktorgebäude hoch. Doch 2015 waren die umgerechnet zwei Milliarden Franken, die bewilligt worden waren, aufgebraucht. Und das AKW war noch weit von der Fertigstellung entfernt.
Generäle setzten auf militärischen Nutzen
Regierung um Regierung drückt sich seither um Entscheidungen zu Angra 3. Die Bürokraten rechnen bisweilen bizarre Szenarien durch. Eines davon besteht darin, anzuerkennen, dass der Meiler trotz vielen Anläufen nicht fertigzukriegen ist. Die Finanzierungskosten mit eingerechnet, käme das Versiegeln der Baustelle und die sichere Verwahrung des Reaktors mit umgerechnet etwa drei Milliarden Franken deutlich günstiger zu stehen als der Weiterbau. Das AKW fertigzustellen, wäre mehr als doppelt so teuer.
Die ewige Baustelle am Strand von Angra dos Reis ist eine Hinterlassenschaft des Militärregimes, das Brasilien von 1964 bis 1985 unter der Knute hatte. Die in Deutschland gekauften beiden AKWs, das inzwischen laufende Angra 2 und das unfertige Angra 3, waren nur ein Teil des Deals: In Wirklichkeit erhofften sich die Generäle vom Technologietransfer den notwendigen Schub, selber den nuklearen Brennkreislauf zu beherrschen – für militärische Zwecke.
34 Jahre seit dem Spatenstich vergangen
Die unendliche Geschichte von Angra 3 hat 1984 begonnen, mit dem Spatenstich. Zwei Jahre später war Brasilien pleite. Das Land konnte seine Schulden nicht mehr bezahlen und stellte die Arbeiten am Meiler ein.
23 Jahre später verkündete die Regierung etwas voreilig, das AKW werde nun doch fertiggestellt. Glaubt man den Staatsanwälten, dann war diese letzte Bauphase von Angra 3 vor allem eines: Augenwischerei. Das AKW funktionstüchtig zu machen, war gar nicht das Wichtigste.
Hauptzweck war offenbar, den Fluss von Korruptionsmillionen des Baukonzerns an Politiker und Parteien aufrecht zu erhalten. Heute sieht es so aus, dass der Meiler in Angra dos Reis gar nie Strom produzieren wird.