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International Flüchtlingsströme sind ein Vermächtnis unserer Eliten

Laut UNO sind zurzeit über 50 Mio. Menschen auf der Flucht. Vor Krieg, Dürre und wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit. Für Experten ist die aktuelle Flüchtlingspolitik ein Feigenblatt. Um diese Völkerwanderung der Moderne zu stoppen, bräuchte es radikale Änderungen unseres ökonomischen Verhaltens.

Im Zug der Globalisierung haben sich die Rohstoff-, Finanz- und Warenströme vervielfacht. Die reichen Staaten werden immer reicher und die Schwellenländer bringen neue Mittelschichten hervor. In Afrika indes scheint die Globalisierung keine Prosperität zu entfalten. Menschen vieler afrikanischer Staaten verlassen vielmehr ihre Heimat in Scharen.

Für Domagoj Arapovic wäre es dennoch zu einfach, die Globalisierung als Sündenbock für die immer weiter anschwellenden Flüchtlingsströme heranzuziehen. «Die Globalisierung begann früher, als diese Migrationsströme», sagt der Ökonom und Experte für Weltwirtschaft bei Raiffeisen Schweiz, «es muss also noch andere Ursachen geben.»

Arapovic verortet die wirtschaftlichen Probleme Afrikas weitgehend im Fehlen funktionierender Institutionen. Weil sich bis auf wenige Ausnahmen kein verlässliches Rechtssystem ausgebildet habe, mangle es der Welt an Investitions-Vertrauen, sagt Arapovic. Andere Experten stellen der Globalisierung weniger gute Noten aus.

Nur eine Gruppe haben wir von der Globalisierung ausgeschlossen: Die grosse Mehrheit der nicht-wohlhabenden Menschen aus armen Ländern.
Autor: Prof. Franz-Josef Radermacher Experte für Wirtschaft, Politik und Globalisierung

Für Franz-Josef Radermacher, Professor an der Universität Ulm, hat die Globalisierung einen ganz expliziten Einfluss auf die aktuellen Migrationsströme der Welt.

«Die Globalisierung ist eine Folge der informationstechnischen Revolution», sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Mathematiker im Gespräch mit SRF News. Wir hätten die Grenzen durchlässig gemacht für Informationen, Wissen, Waren, Geld und Menschen mit Geld.

Wirtschaftsexperte Professor Franz-Josef Radermacher im Gespräch über Globalisierung und Flüchtlingsproblematik.
Legende: Wirtschaftsexperte Radermacher kämpft für eine ökologisch und sozial verträgliche Welt-Ökonomie. european speakers agency

«Nur eine Gruppe haben wir dabei ausgeschlossen: Die grosse Mehrheit der nicht-wohlhabenden Menschen aus armen Ländern.»

Früher sei die ungerechte Verteilung wichtiger Güter zwar nicht weniger krass gewesen. Nur heute haben sie auch in Afrika das Internet. Eine Meinung, die auch Arapovic teilt: «Durch den technologischen Fortschritt wissen die Menschen in Afrika, wie es bei uns ausschaut.»

Sie wüssten, dass bei uns Rechtssicherheit und ein Überfluss an Waren und wertvollen Dienstleistungen herrscht. Das begünstige die Migrationsströme selbstredend. Für den Globalisierungs-Experten Radermacher ist das nur die eine Seite der Medaille.

Wir profitieren vom Elend Afrikas

Für ihn steht fest: Die Globalisierung trägt zur Vergrösserung der Ungleichheit innerhalb von Staaten bei. Dabei gehen die Eliten der armen Länder mit den «Eigentumsspitzen» unserer Welt Verträge ein. An diesen Verträgen bereichern sich vor allem die Potentaten in gewaltigem Umfang, während bei ihrer Bevölkerung nur wenig ankommt.

Zuckerrohr-Plantage im Süden Ugandas.
Legende: Industrienationen pachten afrikanisches Ackerland für ihre Bio-Sprit-Produktion. Verlierer sind die Bauern vor Ort. Reuters

Als Beispiel nennt Radermacher die Beschaffung von mineralischen Rohstoffen in Afrika und das Öl der Golfstaaten. «Wir haben mit diesen Eliten Patronats-Systeme aufgebaut. Sie beuten ihre Bevölkerung aus und wir profitieren von billigen Preisen.» Das Problem hierbei verdichtet sich für Radermacher abermals in den Mechanismen der Globalisierung.

«Die Ökonomie hat sich die Globalisierung zu Nutze gemacht, um die regulative Kraft der Politik auszuhebeln», charakterisiert der Ökonom das Verhältnis zwischen den beiden Systemen. In Radermachers Auffassung ist die Politik dazu da, die Ökonomie zu regulieren. Dass es heute fast umgekehrt scheint, ist für den Wirtschaftswissenschaftler bezeichnend.

Ökonomie: Letzter Rückzugsort der Barbarei

«Ein gutes Beispiel ist das aktuell diskutierte Europäisch-Amerikanische Freihandelsabkommen», illustriert Radermacher seine Analyse der schwierigen Lage. Dabei handle es sich um ein supra-nationales Abkommen, eine Fortentwicklung des WTO-Rahmens für die transatlantische Sphäre. Solche Abkommen ermöglichen es, politisch vom UN-Recht geforderte Standards zu umgehen, z.B. das Verbot sklavenartiger Kinderarbeit.

Radermacher proklamiert demgegenüber den weltweiten Wechsel zu einer so genannten «Green & Inclusive Economy», zu Deutsch: zu einer globalen, ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Was wir seiner Ansicht nach brauchen, ist «...ein Ende dieses kruden Kapitalismus, in dem die Ökonomie letzter Rückzugsort der Barbarei sein kann.» Und wir bräuchten eine Ökonomie, die knappe Güter gerecht verteilt und die Menschenrechtsvereinbarungen verinnerlicht hat, sagt der Globalisierungs-Experte.

Weltweite Migration

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Legende: srf

Die Info-Grafik zeigt, wohin die Menschen reisen, welche Länder besonders viele Migranten aufnehmen und wie die Schweiz im internationalen Vergleich dasteht.

Auch Gewalt wird die Flüchtlinge nicht stoppen

In diesem System würde die Wirtschaft für die Nutzung der Weltgemeingüter Steuern bezahlen. «Heute ist es so, dass die Reichen Atmosphäre, Meer und Weltraum weitgehend gratis nutzen, um ihre Profite zu machen, während den Armen das Geld fehlt, um diese Güter überhaupt erst nutzen zu können», sagt Radermacher. Wie der Weg zu einer besseren globalen Struktur aussehen könnte, skizziert er mit einem Rückgriff auf die jüngste Geschichte.

«In der Finanzkrise hat die Politik einen Teil ihres verlorenen Primats über die Ökonomie zurückgewonnen», sagt er. «Wir schauen heute viel genauer auf die Finanzströme, das Verhalten der Banken und die Rolle von Steuerparadiesen.»

Dies müsse weitergeführt werden, sagt Radermacher. Bis zu dem Tag, an dem die Menschlichkeit unseres ökonomischen Verhaltens nicht mehr an schwer bewachten Landesgrenzen endet.

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