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International «Für Rechtsextreme ist das wie Weihnachten»

Der Aufmarsch von Tausenden Hooligans und Rechtsextremen in Köln schockiert. Der Protest gegen Salafismus sei aber nur ein Deckmantel für gewöhnlichen Rassismus, sagt Szene-Kenner und Autor Johannes Radke. Mit radikalen Islamisten als Feindbild werde die Fremdenfeindlichkeit salonfähig.

SRF: Wieso war die Polizei überfordert? Der Aufmarsch war ja angekündigt?

Johannes Radke: Die Sicherheitsbehörden haben das Mobilisierungspotenzial unterschätzt. Experten haben vor einem Aufmarsch gewarnt. Die Polizei hat aber nicht geglaubt, dass tatsächlich 4000 Neonazis und Hooligans auftauchen.

So viele Rechtsextreme wie bei diesen Krawallen – das ist eine neue Dimension. Wie kam diese bundesweite Mobilisierung zustande?

Der Zusammenschluss der Hooligans läuft seit Anfang Jahr. Dieser Aufmarsch ist der vorläufige Höhepunkt dieses Aufmarsches gegen Salafismus. Die rechtsextreme Szene hofft jetzt auf Zulauf von bislang unpolitischen Hooligans. Das ist für die wie Weihnachten.

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«Für die Rechtsextremen ist das wie Weihnachten»
aus Echo der Zeit vom 28.10.2014. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 5 Sekunden.

Sind da auch alte Neonazis aus Ostdeutschland dabei?

Ja, etwa Kategorie C. Der Sänger der Rechtsrock-Band, Hannes Ostendorf, wurde verurteilt, weil er 1991 auf einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Bremen beteiligt war. Aus Dortmund war Siegfried «SS Sigi» Borchardt anwesend, ein Urgestein der rechtsextremen Hooliganszene. Eine solche Machtdemonstration gibt der Szene Aufwind.

Es war eine Manifestation gegen Salafisten. Sind diese Randalierer nicht eher an der Gewalt interessiert, als an Politik?

Wenn man genau hinschaut, war es keine Manifestation gegen Salafisten, sondern eine ganz grundsätzlich rassistische Demonstration. Der Protest gegen Salafismus ist ein Deckmantel, mit dem man versucht, die gesellschaftliche Ächtung von Rassismus zu umgehen. Hätten sie sich unter dem Motto «Deutschland den Deutschen – Ausländer raus» getroffen, hätten alle gesagt: Das geht gar nicht. Aber gegen die bösen Salafisten zu sein, ist zu einem bestimmten Grad salonfähig. Mit dieser Strategie machen sie es der Zivilgesellschaft und der Politik schwerer, dagegen vorzugehen, denn niemand stellt sich schützend vor Salafisten.

Zur Person

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Johannes Radke ist freier Journalist mit dem Themenschwerpunkt Rechtsextremismus und Jugendkultur. Er betreut seit 2009 den Anti-Nazi-Blog Störungsmelder. Radke ist Co-Gründer des Portals «Netz gegen Nazis» und Autor des Buchs «Neue Nazis».

Wird diese Strategie aufgehen?

Die nächste Demonstration ist für Mitte November in Hamburg angekündigt. Auf der Facebook-Seite gab es innerhalb von zehn Stunden rund 5000 Zusagen. Das ist ein massiver Schub, den die Szene momentan erlebt. Man freut sich auch über die Aufmerksamkeit der Medien. Auch über dieses Interview.

Wie weit reicht das allgemeine Unbehagen über islamistische Extremisten in die politische Mitte?

Es ist eine Entwicklung der letzten Jahre, dass rassistische Ressentiments in der Mitte der Gesellschaft wieder mehr akzeptiert werden. Dazu hat auch das Buch von Sarrazin beigetragen. Den rechtsextremen Hooligans wird gerade auch im Netz eine Anerkennung zu Teil, die sie befeuert.

Diese neue Szene der Nazi-Hooligans, kann sich die längerfristig etablieren?

Ich glaube nicht, dass das eine langfristige Sache ist. Hooligans haben Spass an Alkohol, Gewalt und Fussball. Aber an echter politischer Arbeit sind die nicht interessiert. Die rechtsextreme Szene könnte es vielleicht schaffen, einige aus der Hooligan-Szene zu politisieren, aber das wird nicht für das gesamte Hooligan-Spektrum funktionieren. Wenn genügend Widerstand aus der Gesellschaft, Politik und von der Polizei kommt, könnte es sein, dass das ziemlich schnell wieder vorbei ist.

Was konkret können Zivilgesellschaft und Politik denn tun?

Man muss sich jetzt ganz klar positionieren. Man muss diesen Salafisten-Trick enttarnen und klar benennen, dass dahinter gewöhnlicher Rassismus steckt. Wenn jetzt in Hamburg auch 3000 Hooligans aufmarschieren und sich ihnen aber 20‘000 normale Bürger entgegenstellen, dann ist das ein klares Signal.

Das Gespräch führte Simone Fatzer.

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