In Washington braut sich seit Tagen ein politischer Sturm zusammen – und mittendrin steht die Sicherheitsbehörde FBI. Zentrale Rolle spielt dabei ein Memorandum, in dem es um Ermittlungen des FBI über die Russland-Affäre geht. Verfasst hat es der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses – ein Republikaner. In dem Dokument steht offenbar, dass das FBI unsauber gearbeitet haben soll. Isabelle Jacobi, US-Korrespondentin von Radio SRF, ordnet ein, welche Folgen das explosive Papier zeitigen könnte.
SRF News: Warum wollen die Republikaner dieses geheime Memorandum unbedingt veröffentlichen?
Isabelle Jacobi: Weil es in ihren Augen ein Beweisstück ist, dass das FBI von Demokraten unterwandert ist und aktiv versucht hat, die Wahl von Präsident Trump zu verhindern. Demnach sollen nun dieselben Mächte versuchen, Trump aus dem Amt zu hebeln – mittels der Sonderermittlung in der Russland-Affäre, die Robert Mueller leitet.
Das FBI ist ein riesiger Machtapparat. Ihn zum politischen Spielball zu machen, ist heikel.
Diese Ermittlungen sind dem US-Präsidenten gefährlich nahe gekommen. Insofern kann man das Memo als eine Art Präventivschlag auf die öffentliche Meinung ansehen. Die Entscheidung liegt jetzt in den Händen von Präsident Trump. Es braucht sein Einverständnis zur Publikation dieses brisanten Papiers.
Weiss man schon, was genau in dem Memorandum steht?
Das weiss man nicht, weil es «classified», also geheim ist. Viele der Personen, die jetzt vehement auf eine Publikation drängen, haben die vier Seiten auch noch nicht gelesen. Es geht aber – und das ist bekannt – um die Abhöraktionen gegen Trump-Mitarbeiter während des Wahlkampfs 2016. Diese seien ungesetzlich gewesen, so die These. Das Memorandum stammt aus der Feder des Trump-treuen Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus. Es ist also ganz klar ein politisches Positionspapier.
Gibt es tatsächlich Indizien dafür, dass das FBI von Demokraten «unterwandert» ist, wie das die Republikaner behaupten?
Es gibt Unsauberkeiten. Das FBI muss beim FISC (Foreign Intelligence Surveillance Court, dem US-Bundesgericht betreffend die Überwachung der Auslandsgeheimdienste) einen Antrag stellen, bevor es eine Abhöraktion durchführen kann. Dabei spielten offenbar Informationen eine Rolle, die eine private Firma gesammelt hatte – und zwar im Auftrag der Demokraten, wie im Nachhinein herauskam. Das ist natürlich mehr als unschön. Zudem gab es einen E-Mail-Verkehr zwischen zwei FBI-Beamten, die abfällig über Trump hergezogen sind. Insgesamt muss man aber sehen: Für eine recht grandiose Verschwörungstheorie ist die Faktenlage ziemlich dünn.
Aber gleichzeitig war es doch das FBI, das mit seinen Ermittlungen zu E-Mails die Kandidatur von Hillary Clinton gegen Donald Trump ins Straucheln gebracht hat?
Hillary Clinton behauptet ja sogar, das FBI habe sie die Wahl gekostet. Im gleichen Zeitraum (wie gegen Trumps Entourage) hat das FBI bekanntlich auch gegen Clinton in der E-Mail-Affäre ermittelt; einige Tage vor der Präsidentschaftswahl machte das FBI das publik. Das passt nicht ganz ins Raster politisch einseitiger Ermittlungen. Dazu kommt, dass die Führungspersonen beim FBI und auch Sonderermittler Robert Mueller Republikaner sind.
Das FBI und auch das Justizdepartement haben sich vehement dagegen gestellt, dass dieses Memo veröffentlicht wird. Warum?
Sie sagen, das Memo interpretiere und gewichte die Fakten als politisches Dokument falsch. Das FBI schätzt es natürlich auch nicht, wenn die Politik in eine hoch geheime Sphäre eindringt. Es wäre auch das erste Mal, dass die parlamentarische Aufsicht vom Recht Gebrauch macht, einen Geheimhaltungsstatus gegen den Willen des FBI aufzuheben.
Es ist eine politische Kabale, die mit sehr hohem Einsatz spielt: Mit der Glaubwürdigkeit des Sicherheitsapparates – und das ist doch ziemlich leichtfertig.
Das FBI wird also politisiert. Das FBI ist ein riesiger Machtapparat. Ihn zum politischen Spielball zu machen, ist heikel. Deshalb wird das Gericht FISC auch nicht durch die Politik, sondern durch den obersten Gerichtshof besetzt. Richter bestimmen in den USA, wenn Bürger abgehört werden, nicht Politiker.
Historisch kam die Kritik am FBI immer von Links. Seine Allmacht wurde von dieser Seite her kritisiert. Nun also kommt der Geheimdienst auch von Rechts unter Druck und muss sich erklären. Es waren die Demokraten, die immer auf mehr Transparenz drängten. Warum jetzt die ganze Aufregung?
Es ist tatsächlich bizarr, wie die Rollen vertauscht worden sind. Man erinnere sich an den Riesenskandal zur Telefonüberwachung vor nicht allzu langer Zeit. Damals prangerten die Demokraten die Geheimdienste als übermächtig und übergriffig an. Dieselben Stimmen plädieren jetzt ausgerechnet für Geheimhaltung.
Klar ist: Man darf in einer Demokratie sehr wohl debattieren, ob die Geheimdienste zu viel Macht haben. Es ist sogar sehr wichtig, immer wieder zu überprüfen, ob die demokratische Aufsicht funktioniert. Was sich in Washington im Moment abspielt, ist aber keine seriöse Debatte. Es ist eine politische Kabale, die mit sehr hohem Einsatz spielt: Mit der Glaubwürdigkeit des Sicherheitsapparates – und das ist doch ziemlich leichtfertig.