Heute startet in Genf eine Geberkonferenz für das Bürgerkriegsland Jemen. Die humanitäre Situation im Land ist dramatisch, die Bilder des Elends – hungernde Kinder, vertriebene Familien, zerstörte Dörfer und Städte – verstören. Militärisch herrscht ein blutiger Patt.
Für humanitäre Organisationen ist es immer schwieriger, die notleidenden Menschen zu erreichen. Dazu kommt: Es fehlen die finanziellen Mittel. Die UNO bezifferte den Bedarf jüngst auf 2,1 Milliarden Dollar; drei Viertel der Bevölkerung benötigen Nothilfe.
Viele Worte, wenig Taten?
Immer wieder haben die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen die Weltgemeinschaft dazu aufgefordert, das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern. Die internationale Geberkonferenz zum Jemen ist auch ein Versprechen, genau das zu tun. Doch ist sie mehr als ein Lippenbekenntnis?
Für Fredy Gsteiger lässt sich solchen Konferenzen ein «gewisser Erfolg» nicht absprechen – denn sonst würde man sie nicht immer wieder abhalten, sagt der diplomatische Korrespondent von SRF:
Das Problem ist aber, dass tendenziell mehr versprochen als am Schluss gehalten wird.
Ein Grund dafür, dass eine gewisse Diskrepanz zwischen Worten und Taten herrscht: Die Konferenzen sind auch ein Schaufenster für Diplomaten. «Die Vertreter der Länder, oft sind es die Aussenminister, möchten auch aus PR-Gründen als jene dastehen, die etwas tun und helfen», sagt Gsteiger.
Im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit
So werden oft beträchtliche Summen versprochen. Nicht immer würden diese dann aber auch vollumfänglich bezahlt, weiss Gsteiger. Pauschalurteile sind jedoch fehl am Platz: «Es gibt Länder und Ländergruppen, die einen guten Ruf haben. Etwa die Schweiz, Skandinavien oder die EU.»
Die Gründe für eine Teilnahme an den Konferenzen sind vielschichtig. Zum durchaus aufrichtigen Motiv, den Menschen in Krisenländern zu helfen, kommen auch strategische Überlegungen: Insbesondere Staaten, die selber in Konflikte involviert oder eng mit Krisenländern verflochten sind, können ihr Image mit einer aktiven Rolle aufpolieren.
Das Protokoll einer Geberkonferenz
SRF-Experte Gsteiger skizziert, wie eine internationale Geberkonferenz abläuft. In der Regel werden Konferenzen auf der ganz grossen Bühne vom UNO-Generalsekretär eröffnet. Er stellt auch heute in Genf die Bedürfnisse des Krisenlandes Jemen dar. Dann folgen Auftritte von Didier Burkhalter und seiner schwedischen Amtskollegin, Aussenministerin Margot Wallström – dies, weil die Schweiz und Schweden Ko-Organisatoren der Jemen-Konferenz sind. Schliesslich teilen die Ländervertreter mit, was sie zu tun gedenken. «Am Schluss wird auch zahlenmässig Bilanz gezogen. Ob die Mittel tatsächlich fliessen, ist eine andere Frage», sagt Gsteiger. |
Im Fall des Jemen dürften etwa, wie Gsteiger darlegt, insbesondere die benachbarten Golfstaaten und Saudi-Arabien Interesse daran haben, in einem guten Licht dazustehen: «Sie dürften relativ grosse Summen zusagen.»
Hoffnung für ein vergessenes Land
Dafür, dass diesmal auch substanzielle Gelder gesprochen werden, spricht für Gsteiger einiges. «Die Not im Jemen ist objektiv betrachtet gross. Der Jemen war schon vor dem Bürgerkrieg eines der ärmsten Länder der Welt. Zudem geht es um einen vergessenen Konflikt. Syrien ist etwa medial und politisch viel präsenter.»
Gsteigers Prognose: «Ich denke, salopp gesagt, dass die Länder in die Tasche greifen werden.» Ob die Hilfe in den Wirren des Krieges auch zu den Menschen komme, sei die andere Frage.
Trotzdem ist für den SRF-Experten klar, dass es die internationalen Geberkonferenzen braucht:
Viele derartige Konflikte finden im Schatten der Schlagzeilen statt.
Denn im Gegensatz zu plötzlich auftretenden Naturkatastrophen wie Unwettern oder Vulkanausbrüchen sei es gerade bei langandauernden Konflikten schwierig, die Spendebereitschaft der Menschen zu mobilisieren. «Bei Konflikten wie in Somalia, Syrien oder dem Jemen macht sich irgendwann eine Spendenmüdigkeit breit.»