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International Häfen an US-Ostküste machen sich für Mega-Schiffe fit

Der Panama-Kanal wird ausgebaut. Schon in einem Jahr sollen deutlich grössere Schiffe die künstliche Wasserstrasse passieren können. Die Frachthäfen an der US-Ostküste wittern das grosse Geschäft. Sie wollen, dass die Mega-Schiffe bei ihnen anlegen – und investieren viel Geld in die Infrastruktur.

Ingenieur Luis Ferreira steht mit seiner orangen Signalweste und dem Helm auf einer Anhöhe, rund 30 Autominuten ausserhalb von Panama-Stadt: «Schauen Sie, was wir hier fertigstellen, das sind die Stützwände des neuen Panama-Kanals», sagt der Angestellte der «Panama Canal Authority» – und zeigt mit der Hand auf den grauen Beton, der sich schnurgerade durch die rötliche Dschungelerde zieht.

Ferreira liebt Vergleiche, und er hat einige an Lager. Diese Schleusenkammer sei dreimal so lang, wie das Empire State Building in New York hoch sei, Antenne inbegriffen. Oder: Der Beton sei mit Eisen verstärkt, 187‘000 Tonnen – damit könne man 19 Mal den Eiffelturm in Paris errichten.

Seit 2007 wird der Panamakanal erweitert. Neben dem bestehenden Kanal von 1914 entstehen neue, breitere Schleusenbecken und Zufahrtswege. Der Grund: Heute sind die meisten Schiffe viel grösser als früher. Durch den neuen Panama-Kanal können bald Schiffe fahren mit dreimal mehr Fracht, Tanker mit Erdgas oder Schiffe mit 12‘000 Container statt nur 4600 wie bis jetzt.

Neue Route

Das wird einen Einfluss auf die internationalen Transportrouten haben, ist der amerikanische Ökonom Marc Levinson überzeugt. Er hat ein Buch über die Container-Schifffahrt geschrieben und gilt als einer der besten Experten auf diesem Gebiet.

Bis jetzt mussten die Mega-Schiffe (im Fachjargon «Post-Panamax»-Schiffe genannt) aus Asien an der US-Westküste anlegen, von dort aus wurde die Ware per Lastwagen oder mit dem Zug an die US-Ostküste gebracht. Oder die Schiffe fuhren via Suezkanal und Mittelmeer über den Atlantik. Mit dem neuen Panama-Kanal gibt es plötzlich eine weitere Route, um Güter etwa von Südkorea nach New York zu bringen – direkt durch das schmale Panama an einen der Frachthafen im Osten der Vereinigten Staaten.

Miami baut aus

Auf dieses neue Geschäft setzen die grossen Frachthäfen, zum Beispiel Miami im Bundesstaat Florida, der wichtigste Hafen für Kreuzfahrtschiffe. Künftig will Miami auch im Frachtbereich eine grössere Rolle spielen.

Zwei Milliarden Dollar wurden in den letzten Jahren in die Hafeninfrastruktur investiert. Das Hafenbecken wurde ausgebaggert, 16 Meter, genug tief für die Megaschiffe. Dazu ein direkter Autobahnanschluss für Lastwagen, ein direkter Zuganschluss, der jeden Winkel der USA in vier Tagen erreicht. Weitere sieben Milliarden Dollar wurden in den Ausbau des nahen Flughafens gesteckt.

Allerdings: Miami ist nicht der einzige Hafen, der sich fit macht für die grossen «Post-Panamax»-Schiffe. Viele tun dies an der Ostküste – von Savannah über Charleston, Norfolk bis Baltimore und New York/New Jersey – auch wenn nicht jeder dieser Frachthafen gleich weit ist. Einige Hafenbecken sind noch nicht tief genug. Und die bekannte Bayonne-Brücke, die Staten Island und New Jersey miteinander verbindet, muss erhöht werden, damit die Mega-Schiffe unten durchpassen.

Boom-Jahre der Seefracht sind vorbei

Für den Ökonom Marc Levinson steht jetzt schon fest: Das wird sich kaum für alle Häfen rentieren. «Die Häfen werden Überkapazitäten haben. Selbst im besten Fall wird es nicht genügend zusätzliche Mega-Schiffe geben, die via Panama diese Häfen an der Ostküste anlaufen.» Dazu kommt, dass der globale Handel grundsätzlich nicht mehr auf dem Niveau ist wie noch vor der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Dass die Boom-Jahre in der Seefracht vorbei sind, glaubt auch Jorge Quijano, der Chef der «Panama Canal Authority», das ist die staatliche Gesellschaft, die den Panama-Kanal betreibt. In einem Interview mit der Zeitung «The Financial Times» sagte er kürzlich, er glaube nicht, dass die Welt und der Kanal wieder einmal Zeiten wie in den 1990er- und frühen 2000-Jahren erleben würden.

Höhere Kosten als geplant

Das heisst aber auch: Nicht nur die Häfen, auch die Betreiber des Panama-Kanals sind eine riskante Wette eingegangen. Auch sie wissen nicht, ob sich das Bauvorhaben in der Höhe von 5,3 Milliarden Dollar am Ende auszahlt – zumal Kritiker befürchten, die Kosten könnten eher bei 8 Milliarden zu liegen kommen.

Bereits ist es zu Verzögerungen und zu Streit mit dem europäischen Baukonsortium gekommen. Doch für die «Panama Canal Authority» gibt es nur den Weg nach vorne. Ohne zu wissen, ob sich die teure Investition in den Kanalausbau je lohnt, plant sie bereits das nächste Projekt – noch grössere Schleusen für noch grössere Schiffe, die statt 12‘000 bis zu 17‘000 Container laden können.

Wir stehen inzwischen mitten im leeren Schleusenbecken des neuen Panama-Kanals. Links und rechts ragen die Betonwände hoch. Arbeiter sind daran, die letzten der gigantischen Schleusentore aus Italien zu installieren. Luis Ferreira, der Ingenieur, sagt, bald werde dort, wo wir jetzt stehen, Wasser sein. «Diesen Juli werden wir langsam das Wasser ins Schleusenbecken lassen, langsam, damit nichts kaputt geht. Dann führen wir Tests durch, damit wir im Frühsommer 2016 parat sind fürs erste Mega-Schiff.»

Ferreira wird dann seine Arbeit beendet haben. Er meint zum Abschied: «Ich habe noch nie für ein so grosses Bauprojekt gearbeitet. Und ich danke dem lieben Gott jeden Tag, dass ich das tun darf.»

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