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Hilfe nach Hurrikan «Maria» Das Armenhaus der USA muss sich gedulden

Bis die immensen Schäden des Hurrikans «Maria» auf der US-Karibikinsel Puerto Rico behoben sind, dürfte es dauern. Einmal mehr fühlen sich die Puerto Ricaner als Bürger zweiter Klasse.

Seit Tagen ruft Ricardo Rossello auf allen Kanälen um Hilfe: «Meine Botschaft ist simpel: Wir brauchen mehr Hilfe.» Nie zuvor sei eine Region der USA derart auf die Solidarität der Nation angewiesen gewesen, sagt der junge, erst seit wenigen Monaten amtierende Gouverneur von Puerto Rico.

Ein Ende der Krise ist nicht absehbar

Das Stromnetz ist zusammengebrochen, auch Tage nach dem Sturm sind weniger als fünf Prozent des Elektrizitätsbedarfs gedeckt. Trinkwasser, Lebensmittel und Benzin fehlen. Auf dem Flughafen werden weitaus mehr Flüge abgesagt als durchgeführt. Die medizinische Versorgung funktioniert bloss minimal. Reporter berichten von einer Krise, deren Ende nicht absehbar ist.

Eine Frau erklärt im Sender NBC: «Viele Menschen hier besitzen einfach kein Geld, um aus der Not herauszufinden.» Sogar humoristische Spätabend-Shows in den USA widmen der Tragödie Raum und rufen zur Nothilfe auf. Die übrigen Amerikaner sollten bitte nicht vergessen, dass auch die Puerto Ricaner US-Bürger seien.

Offensichtlich ärmliche Häuser, die völlig zerstört sind.
Legende: Die ohnehin sehr einfachen Häuser in Puerto Rico konnten «Maria» nicht standhalten. Reuters

Kein direkter Draht nach Washington

Genau hier liegt ein Teil des Problems: Viele US-Amerikaner sehen in den 3,4 Millionen Puerto Ricanern Bürger zweiter Klasse. Bei der Insel, die östlich von Hispaniola liegt, handelt es sich nicht um einen US-Bundesstaat, sondern de facto um eine US-Kolonie. Die Bewohner haben bei Präsidenten- und Kongresswahlen keine Stimme. Entsprechend fehlen der Insel die einflussreichen Lobbyisten in Washington.

Gerne wäre man der 51. Bundesstaat der USA: «Die Bürger Puerto Ricos haben bereits beschlossen, dass sie nicht länger ein Kolonialterritorium sein wollen», betont Gouverneur Rossello. Tatsächlich stimmten im vergangenen Juni über 97 Prozent der an dem Referendum teilnehmenden Einwohner dafür, dass Puerto Rico ein US-Bundesstaat werden solle.

Ricardo Rossello konferierte mit Donald Trump

Ineffizienz und hohe Schulden

Doch darüber entscheiden nicht Referenden auf der Insel selber, sondern die Machthaber in der Hauptstadt Washington. Dort regieren die Republikaner – und sie wollen Puerto Rico nicht zum Bundesstaat aufwerten. Denn sie erwarten, dass die Puerto Ricaner bei den Wahlen dereinst für die Demokraten stimmen würden.

Als Konsequenz der Benachteiligung geht es Puerto Rico schlecht: Ineffizienz, tiefe Produktivität, wenig Investitionen. Fast 100 Milliarden Dollar Schulden hat Puerto Rico, die Insel ist bankrott. Schuld daran sind lokale Misswirtschaft und Korruption, aber eben auch die Vernachlässigung durch Washington.

Von der Trauminsel zum Armenhaus

Früher galt Puerto Rico als Juwel der Karibik, als Sehnsuchtsort. Diese Zeiten sind vorbei. Heute ist die Insel ein Armenhaus. Jahr für Jahr ziehen gegen 100'000 Menschen weg. Zurück bleiben Arme, Alte und gering Qualifizierte. 46 Prozent der Bevölkerung Puerto Ricos gelten offiziell als arm. Die Infrastruktur ist miserabel. Entsprechend leichtes Spiel hatte der Wirbelsturm «Maria» auf seinem Weg der Zerstörung.

Zwar gab Präsident Donald Trump den Weg frei für Katastrophenhilfe: «Die Insel ist in sehr prekärem Zustand. Was dort passiert ist, ist sehr traurig», sagte er. Doch während Trump gleich nach dem Durchzug der Wirbelstürme «Harvey» und «Irma» Texas respektive Florida besuchte und so Sympathiepunkte sammelte, will er sich auf Puerto Rico erst nächsten Dienstag zeigen.

Es ist ein grosses Meer, ein sehr grosses Meer.
Autor: Donald Trump US-Präsident

Auf die Kritik wegen der schleppenden Unterstützung antwortete er: Es sei halt eine Insel, die mitten im Meer liege. Es sei ein grosses Meer, ein sehr grosses Meer. Und deshalb sei es schwierig zu helfen.

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