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1.6 Millionen Tonnen Sprengstoff liegen am Grund der Nord- und Ostsee
Aus SRF 4 News aktuell vom 19.09.2023. Bild: Geomar/Helmholtz-Zentrum für Ozeanologie/Kiel
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Im Meer versenkt Was tun mit so viel im Wasser entsorgter Munition?

Ein Teil dieser Munition wurde nach dem 2. Weltkrieg gezielt versenkt. Nun soll sie geborgen und entschärft werden.

Worum geht es? Am Grund der Nord- und der Ostsee liegen schätzungsweise 1.6 Millionen Tonnen alter Kriegsmunition. Die deutsche Regierung plant nun ein Pilotprojekt für 100 Millionen Euro, um herauszufinden, wie diese Altlasten aus dem Meer geborgen werden können, ohne die Umwelt, Mensch und Tier zu gefährden.

Wieso ist diese Munition dort? Die Munition ist auf unterschiedlichsten Wegen abgelagert worden (zum Beispiel Verminung, Seekämpfe oder Schiffswracks). Die grösste Menge stammt jedoch aus gezielten Versenkungen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Was ist das chemische Problem dieser Munition? Jens Greinert, Professor für Meeresbiologie am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, hält fest: «In der Munition sind Sprengstoffe enthalten. Ein Teil dieser Sprengstoffe ist TNT. Das ist krebserregend und erbgutschädigend. Man möchte nicht, dass dies freigesetzt wird.» Die Munition setzt auch andere Stoffe wie Quecksilber oder Blei als Schadstoffe frei.

Was ist Trinitrotoluol, kurz TNT?

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Trinitrotoluol (TNT) ist ein Sprengstoff, der erstmals von Joseph Wilbrand im Jahre 1863 hergestellt wurde. Die Grossproduktion wurde in Deutschland 1891 aufgenommen.

Die Sprengkraft von TNT ist zum Massstab der Stärke von Bomben und anderen Sprengkörpern geworden (TNT-Äquvalent).

Was sind die lokalen Probleme dieser Munition? Beim Bau von Offshore-Windanlagen im Meer werden beispielsweise Pfähle in den Meeresboden gerammt. Das kann gefährlich sein, weil die Werkzeuge explodieren können, wenn sie auf Munition stossen. Gleiches gilt auch für die Schifffahrtswege, sagt Greinert: «Schifffahrtswege müssen ab und zu freigebaggert werden. Das wird zum Problem, wenn dort Munition liegt.»

Eine komplette Räumung der 1.6 Millionen Tonnen Munition ist mit diesem Betrag nicht zu machen.
Autor: Jens Greinert Professor für Marine Biogeochemie/GEOMAR Helmholtz-Zentrum Kiel

Kann das TNT nachgewiesen werden? Die zurzeit in Fischen oder in Muscheln vorkommende Konzentration von TNT sei so gering, dass sie für den Verzehr unbedenklich sind. Allerdings gelte dies nicht für Fische und Muscheln, die direkt aus Munitionsversenkungsgebieten geborgen werden. «Bei denen ist die Konzentration so hoch, dass man sie nicht essen sollte», so Greinert.

Wie soll diese Menge an Munition aus dem Wasser geholt werden? Mit welcher robotischen Technik – oder zur Not durch Taucher – die Munitionshaufen geborgen werden wollen, soll nun mit diesen 100 Millionen Euro der deutschen Regierung erforscht werden, sagt Greinert. «Auf dem Meeresboden liegen ganze Schütthaufen von Munition, die sind zehn Meter lang, dreissig Meter breit und einen Meter hoch.»

Was geschieht danach mit der Munition? Nach der Bergung muss sie vernichtet werden. Sie müsse zerlegt und die Sprengstoffe müssten verbrannt werden, so Greinert. Das sei ebenfalls in den Geldern der deutschen Regierung inbegriffen. «Eine komplette Räumung der 1.6 Millionen Tonnen Munition ist mit diesem Betrag nicht zu machen.»

Wie geht es nach der geplanten Pilotstudie weiter?

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Die Studie diene auch dazu, die Kosten zu definieren, sagt Greinert. Wenn es sich zeigt, dass es technisch möglich ist, diese Stoffe zu bergen, wird es eine gemeinsame Finanzierung des deutschen Staates zusammen mit den Bundesländern geben müssen.»

Wie lange wird die Bergung dauern, und was sind die Alternativen? Greinert rechnet nach dem Pilotprojekt mit mindestens zehn Jahren Bergungszeit, ab 2030. «Sollte sich herausstellen, dass man diese Munition gar nicht bergen kann, ist die Alternative, dass man die Munition einfach liegen lässt.» Dann müsste man überprüfen, wie sich die Lösung und Freisetzung des TNTs über die Zeit und insbesondere auch mit dem Klimawandel entwickelt. Vielleicht würde man dann die Munition an gewissen Hotspots bergen. Für Greinert wäre dies aber nicht die beste Lösung. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass man die Munition abdecken würde. Allerdings würde damit das Problem nur verschoben. «Man weiss ja nicht, was in 50 oder 100 Jahren passiert; vielleicht steigt der Meeresspiegel so an, dass der Wellenschlag am Meeresboden die Munition wieder freilegt.» Deshalb erachte er es als richtig, sie ein für alle Mal zu bergen.

SRF 4 News, 19.9.2023, 8:09 Uhr;

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