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Erdogan und Putin bei ihrem Treffen in Moskau (23.9.15)
Legende: Die von Putin initiierte Teil-Rehabilitierung von Diktator Assad geht weiter: Jetzt soll auch Erdogan an Bord sein. Keystone

International Umdenken in Ankara – auch Erdogan für Gespräche mit Assad

Russlands Militärintervention in Syrien wirbelt Staub auf, auch die Flüchtlingskrise bringt Bewegung in den blockierten Bürgerkrieg: London und Berlin wollen mit «Kriegsverbrecher» Assad reden. Nun erwägt auch der türkische Präsident Gespräche mit seinem Erzfeind – er fürchtet die Isolation.

Die Türkei ändert möglicherweise ihre Haltung, wenn es um Gespräche mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad geht. Bis jetzt waren es vor allem Russland, Deutschland und Grossbritannien, die solche Gespräche befürworteten. Die Türkei hat eine Einigung mit Assad bis jetzt immer ausgeschlossen.

Doch jetzt hat der türkische Präsident Erdogan angedeutet, eine Übergangslösung mit Assad sei allenfalls möglich. Der Türkei-Experte Thomas Seibert erklärt den plötzlichen Sinneswandel damit, dass Erdogan die Zeichen der Zeit erkannt hat – und bei der Gestaltung des Nachkriegs-Syriens mitreden will.

SRF News: Hat die Türkei eine Kehrtwende vollzogen?

Thomas Seibert: Das ist so und wird auch hier in der Türkei so gesehen. Beobachter sprechen von einem Kollaps der bisherigen türkischen Syrien-Politik.

Was könnten die Gründe für Erdogans Meinungsumschwung sein?

Thomas Seibert

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Der Journalist Thomas Seibert ist USA-Korrespondent des «Berliner Tagesspiegels». Zuvor berichtete er während 20 Jahren für verschiedene Zeitungen und Radiosender aus der Türkei.

Interessant ist vor allem, dass Erdogan sich äusserte, nachdem er von einem Besuch in Moskau zurückkehrte. Dort sprach er mit Wladimir Putin über die Lage in Syrien. Erdogan hatte sich lange erhofft, Putin von der Unterstützung Assads loseisen zu können. Noch vor einem Monat sagte Erdogan, er sehe Hinweise, dass Putin den syrischen Präsidenten möglicherweise bald ganz fallen lassen könnte. Das ist offenbar nicht passiert. Erdogan hat nun offensichtlich den Schluss gezogen, dass sein bisheriger Ansatz nichts bringt, und befüwortet jetzt eine Übergangslösung mit Assad.

Ist die starre Haltung Russlands, an Assad festzuhalten, der alleinige Grund für das Umdenken Erdogans?

Ein anderer Grund ist die internationale Lage, die sich in den letzten Wochen verändert hat. Wichtige Länder wie Deutschland und Grossbritannien befürworten jetzt Gespräche mit Assad und eine Einbindung der syrischen Regierung in die Suche nach einer Friedenslösung. Diese Veränderung brachte die Türkei in Gefahr, sich aussenpolitisch zu isolieren, wenn sie wie bisher auf eine sofortige Ablösung von Assad bestehen würde. Erdogan hat offenbar versucht, diesen Kurs zu korrigieren, um die Türkei am Verhandlungstisch zu halten, wenn es um die Zukunft Syriens geht.

Erdogan will am Verhandlungstisch sitzen, wenn es um die Zukunft Syriens geht.

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Im Hintergrund steht natürlich der Wunsch der Türkei, den Konflikt so bald wie möglich zu beenden. Zwei Millionen Flüchtlinge sind inzwischen im Land, es werden täglich mehr. Ausserdem wächst die Gefahr durch den «Islamischen Staat» an den türkischen Südgrenzen. Dies alles sind Gründe für die Türkei, möglichst bald eine Beendigung des Syrien-Konflikts zu erwirken. Und offenbar denkt sich Erdogan, dass das am Besten zu erreichen ist, wenn Assad mit am Tisch sitzt.

Die türkische Regierung hat lange mit der syrischen Exil-Opposition zusammengearbeitet, also quasi mit der Gegenspielerin von Assad. Was für Folgen hätte eine türkische Positionsänderung?

Die syrische Exil-Opposition wäre praktisch isoliert mit der Forderung einer sofortigen Ablösung von Assad. Der Druck auf sie wäre beträchtlich höher, einer anderen Lösung zuzustimmen. Das wiederum könnte Folgen haben für die Gespräche, die Russland in den kommenden Wochen plant. Die Suche nach einer Übergangslösung wurde möglicherweise etwas leichter. Allerdings müsste sich die Türkei auch offiziell zu dieser neuen Haltung erklären. Im Moment sind die Positionen von Präsident Erdogan und Ministerpräsident Davutoglu gegensätzlich. Wie sich die Türkei aus diesem Widerspruch lösen wird, werden die nächsten Wochen zeigen.

Das Gespräch führte Philippe Chappuis.

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