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Ein Polizeibeamter in Zivil mit einer Pistole führt einen Mann ab.
Legende: Werden Schlepper erwischt und Routen geschlossen, organisierten sie sich sofort neu, sagt Schlepperbekämpfer Tatzgern. Reuters

International «Ungarische Hausfrauen sind die neuen Schlepper»

Schlepper suchen nicht nur ständig nach neuen Routen, um Flüchtlinge nach Europa zu bringen, sondern auch nach neuen Möglichkeiten. Aktuell werde bereits mit Scheinehen gearbeitet, sagt der österreichische Schlepperbekämpfer Gerald Tatzgern. Doch auch das Profil des typischen Schlepper wandelt sich.

SRF News: Neu versuchen Schlepper offenbar auch, eine weitere Route von Griechenland nach Italien zu etablieren. Was wissen Sie darüber?

Gerald Tatzgern

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Der Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität und des Menschenhandels arbeitet im österreichischen Bundeskriminalamt in Wien. Er ist ausserdem Verfasser von mehreren Büchern über Kinderhandel.

Gerald Tatzgern: Wir haben einerseits die Route von Griechenland über Bulgarien entweder nach Serbien oder Rumänien und weiter nach Ungarn und Österreich. Aber wir kennen andererseits nun auch schon einige Fälle, wo Menschen direkt von Griechenland Richtung Italien gebracht werden.

Von den 8500 Flüchtlingen, die im Lager Idomeni gelebt haben, sind nicht mal die Hälfte in den neuen offiziellen Lagern der griechischen Regierung angekommen. In Griechenland harren mehr als 50‘000 Menschen aus. Muss man davon ausgehen, dass sie Schlepper in Anspruch nehmen werden?

Ja, wir gehen davon aus, dass eine sehr hohe Zahl von Menschen die Schlepperdienste in Anspruch nehmen wird. Sie wollen weder in ihre Unterkünfte, noch in ihre Ursprungsländer zurückkehren. Sie wollen hier weiterkommen.

Die griechischen Behörden sagen, von Januar 2015 bis Februar 2016 hätten Schlepper mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland gebracht. Seit Mitte März sind diese Zahlen deutlich zurückgegangen. Heisst das, die Schlepper haben sich zurückgezogen, oder was machen sie?

Es ist für die Schlepper schwieriger geworden, weil wir natürlich versuchen, innerhalb Europas einen Schulterschluss und eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, um den Schleppernetzwerken längerfristig zu schaden. Das heisst aber nicht, dass wir sie ausgelöscht haben. Sie sind nun dabei, sich neu zu formieren und neue Wege zu finden.

Wir haben festgestellt, dass bereits mit Scheinehen und mit dem Erschleichen von Visa gearbeitet wird. Es wird versucht, jedes Mittel zu nützen, um die Menschen gegen ein hohes Entgelt in die Zielländer zu bringen.

Was sind denn das für Preise?

Das ist ganz unterschiedlich. Unmittelbare Schleppungen, die etwa aus Ungarn über Österreich nach Deutschland führen, sind teilweise schon ab 200 Euro pro Person zu haben. Aber wenn sie aus der Türkei starten, müssen sie mit einem Entgelt von etwa 6000 bis 8000 Euro pro Person rechnen.

Besonders in Nordafrika sind die Schlepper bestens vernetzt und organisiert.

Auch in Nordafrika ist die Situation dramatisch. Alleine in Libyen sollen mehr als eine Million Menschen auf eine Überfahrt nach Europa warten.

Das ist besorgniserregend. Besonders weil wir merken, dass die kriminellen Strukturen in Nordafrika, insbesondere in Libyen, militärisch strukturiert sind. Diese Schlepper sind bestens vernetzt und organisiert. Es ist damit zu rechnen, dass es vermehrt zu Schleppungen kommen wird, wenn das Wetter wieder besser wird.

Ausserdem wissen wir, dass in mehreren afrikanischen Ländern Betreuungsstellen für Flüchtlinge reduziert oder geschlossen werden und dass das wiederum hunderttausende Menschen dazu bringt, Richtung Europa aufzubrechen.

Bereits im vergangenen Sommer war der Ansturm derart gross, dass sich Leute als Schlepper betätigt haben, die üblicherweise nichts damit zu tun haben. Beobachten Sie diesen Trend weiterhin?

Ja, wir merken das leider schon. Etwa nahe einer Flüchtlings-Betreuungsstelle in Ungarn. Ich würde einige Schlepper dort schon fast als ungarische Hausfrauen bezeichnen, die versuchen, schnelles Geld zu machen – 200 Euro für eine Schleppung.

Es hat viel zu kleine Fortschritte in der Verbesserung der Lebensgrundlage der Flüchtlinge gegeben.

Im Januar haben Sie gesagt, Schleppern das Handwerk zu legen, werde nicht genügen. Wir müssten vor allem die Lebensgrundlage der Menschen verbessern. Sehen Sie in diesem Bereich Fortschritte?

Die Perspektivelosigkeit in vielen Regionen der Welt existiert nach wie vor. Die Menschen erzählen uns, dass sie keine Wahl und keine Hoffnung hatten, in ihren Regionen zu bleiben. Wenn es also Fortschritte gegeben hat, dann viel zu kleine.

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