Seit Anfang dieses Jahres ist in Deutschland das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft. Es verpflichtet Medien-Unternehmen wie etwa Facebook oder Twitter, Beiträge, die gegen das Strafgesetz verstossen, innert kurzer Zeit zu löschen. Das ist jetzt bei Tweets von zwei AfD-Spitzenpolitikerinnen passiert.
Was zur Hölle ist in diesem Land los? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus Nordrheinwestfalen auf Arabisch? Meinen Sie, die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?
Das schrieb die Beatrix von Storch als Antwort auf einen Tweet in arabischer Sprache der Polizei des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Twitter löschte daraufhin den Beitrag der Abgeordneten und sperrte zeitweise ihren Account. Auch von Facebook wurde der Post entfernt.
Kurz nach von Storch legte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nach. Ebenfalls auf Twitter schrieb sie:
Unsere Behörden unterwerfen sich importierten, marodierenden, grapschenden, prügelnden, Messer stechenden Migrantenmobs. Beatrix von Storch kritisiert zu Recht, dass die Polizei auf Arabisch twittert – und wird gesperrt!
Auch dieser Tweet wurde entfernt.
SRF News: Matthias Meisner, hatte man solche politischen Botschaften im Sinn, als man dieses Gesetz eingeführt hat?
Matthias Meisner: Ich denke schon. Die AfD überschreitet mit ihren Äusserungen immer wieder die Grenzen der Meinungsfreiheit. Dieses Gesetz soll sicherstellen, dass es weniger Fake-News in den sozialen Netzwerken gibt aber justiziable Inhalte, bei denen es um Hass, Volksverhetzung und ähnliches geht, rasch entfernt werden können.
Twitter und Facebook haben auch schon früher Posts gelöscht. Braucht es das neue Gesetz wirklich?
Das Gesetz ist durchaus umstritten und wurde von manchen auch halbgar genannt, weil die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit hohe Güter sind. Auf der anderen Seite kann man aber auch nicht immer auf die Gerichte warten. Es dauert oft Wochen, Monate oder vielleicht sogar Jahre, bis sie eine Entscheidung fällen. Wünschenswert wäre es gewesen, dass die Betreiber von Social Media sich selber Regeln gesetzt hätten, um eine gewisse Etikette zu ermöglichen.
Die sozialen Netzwerke müssen offensichtlich strafbare Tweets innerhalb von 24 Stunden löschen und möglicherweise strafbare innerhalb von sieben Tagen. Ist der Tweet von Beatrix von Storch offensichtlich oder möglicherweise strafbar?
Das wird man jetzt sehen. Bisher ist noch nicht klar, welche Staatsanwaltschaft überhaupt zuständig ist. Es wird immer Fehler geben. Es kann nicht sein, dass die Netzwerke reagieren und man jede einzelne Löschung juristisch überprüfen muss. Man muss akzeptieren, dass die gute Absicht des Gesetzes ist, klarzustellen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.
Für mich ist die Grenze überschritten.
Von Storch bezieht sich in ihrem Tweet auf die Vorfälle von der Kölner Neujahrsfeier 2015, bei der eine grosse Gruppe von Männern Frauen belästigten und ausraubten. Wann überschreitet so ein Tweet die Grenze zum Hasspost?
Sie verallgemeinert in ihrer Twitterbotschaft auch, indem sie jeden Muslim aus einem arabischen Land als Barbaren bezeichnet. Für mich ist da die Grenze überschritten, es gibt da allerdings auch unterschiedliche Meinungen dazu. Was wir jetzt erleben ist, dass die AfD versucht, mit immer neuen Provokationen und Wiederholungen der Botschaften die Bundesregierung als Zensurbehörde darzustellen. AfD Parteichef Alexander Gauland hat Vergleiche zur Stasi gezogen. Bei solchen Überspitzungen stellt sich die Frage, ob die AfD überhaupt noch das rechte Mass hat.
Das Gesetz ist also eigentlich eine Steilvorlage für die AfD?
Das ist sicher ein Problem dieser ganzen Debatte. Man kann den einen Tweet löschen. Er wird dann auf Facebook von anderen AfD-Politikern wiederholt. Gauland hat die Partei sogar dazu aufgefordert. Die AfD hat das erreicht, was sie immer wieder tut: Sie bringt sich ins Gespräch und bricht dabei Tabus.
Das Gespräch führte Marc Allemann