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International Italien: «Ein noch grösseres Unglück ist nur eine Frage der Zeit»

Italien ist extrem erdbebengefährdet und es hat viele alte Häuser – eine gefährliche Kombination. Dabei ginge es mit wenigen Mitteln auch anders.

SRF: Das Erdbeben im Apennin hat Dörfer zum Teil fast dem Erdboden gleichgemacht. Sind vor allem alte Bauten betroffen, oder gibt es auch einige neue Gebäude, die zusammengebrochen sind?

Philipp Zahn

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Philipp Zahn berichtet für SRF aus Italien und dem Vatikan. Er lebt seit 1995 in Rom. Zahn studierte Geschichte, Volkswirtschaft und Philosophie in Berlin und Siena.

Philipp Zahn: Es hat beides, alte und neue Bauten. Die alten Bauten aus dem 19. Jahrhundert oder älter stürzten alle ein. Die neuen sind teilweise zerstört. In Neubauvierteln ist es teilweise so, dass ein Gebäude komplett einstürzte, während das andere Haus nebenan stehen blieb. Das zeigt: Auch wenn Häuser neu gebaut werden, legen viele Italiener offenbar wenig Wert darauf, dies erdbebensicher zu machen. Da wird oft viel mehr in die Ausstattung, ins Aussehen investiert.

Ist für einmal also nicht die Mafia schuld, die die Häuser schlechter baut, als dies der Bauherr eigentlich verlangt?

Ich denke nicht. Die Italiener legen offenbar zu wenig Wert auf Prävention. Dies, obwohl sie wissen, dass sich ihr Haus in einem Erdbebengebiet befindet. Hinzu kommt, dass die Kontrollen viel zu lasch sind.

Die meisten betroffenen Häuser sind sehr alt. Sind bauliche Massnahmen zu teuer?

Es gibt technische Möglichkeiten, um alte Häuser erdbebensicherer zu machen, etwa mit zusätzlichen Wänden oder Stützen. Das könnte mit unter 100‘000 Euro gemacht werden. Für den Mittelstand liegt das im Bereich des Möglichen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass mit solchen Massnahmen erhebliche Steuerabzüge gemacht werden können. Die Technik und das Wissen sind da. Es kommen paradoxerweise sogar Berufsleute aus anderen Ländern nach Italien, um zu lernen, wie man erdbebensicher baut.

Die Regierung macht seit Jahren nichts?

Jede Regierung behauptet nach jedem Unglück dasselbe: Man will alles machen, um die Bausubstanz erdbebensicherer machen. Man verabschiedet staatliche Förderprogramme, die finanziell aber viel zu wenig hoch ausgestattet werden. Und am Schluss passiert gar nichts. Auch in den betroffenen Erdbebengebieten wird nicht nachhaltig geholfen. Die Menschen nehmen die Politiker schon lange nicht mehr ernst. Sie fühlen sich verschaukelt.

Ein besseres Frühwarnsystem würde nichts bringen?

Die meisten Erdbeben passieren ohne jedes Vorzeichen, auch das jüngste. Zudem gibt es in Italien viele kleine Beben. In 99 von 100 Fällen passiert nichts. Man kann also nicht jedes Mal vorsorglich die ganze Bevölkerung einer Region evakuieren. Dieses Beben war eigentlich auch nur mittelstark. In Japan wäre bei einer solchen Stärke kein Gebäude eingestürzt.

Italien hat auch noch andere Gefahrenpotentiale. Wird da die Prävention ähnlich vernachlässigt?

In der Tat, es drohen neben den Erdbeben auch Vulkanausbrüche, Erdrutsche und hydrologische Schäden wegen der starken Unwetter. In Italien werden sozusagen alle Naturkatastrophen vereint. Dazu kommen die vielen alten und vernachlässigten Bauten sowie die weiterhin bedenkenlose Bauweise. Es werden etwa ohne Not Häuser ins Gefahrengebiet von Vulkanen gebaut. Mit anderen Worten: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein viel grösseres Unglück geschieht.

Das Gespräch führte Christa Gall.

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