Die Idee kam den Forschern, nachdem die Balkon-Flashmobs über Social Media in Italien nicht nur zum Singen und Musizieren aufgerufen haben, sondern auch, um mit der Taschenlampe des Smartphones in den Nachthimmel zu winken – als deutliches Zeichen Richtung All, dass das Bel Paese in dieser Corona-Krise nicht aufgibt.
Ein kollektives Experiment von zu Hause aus
Der Astrophysiker Luca Perri aus dem lombardischen Varese, der wie die meisten anderen Italiener in Quarantäne sitzt, schmunzelt: «Wer im All kann Handyleuchten auf der Erde sehen?» Das könne nicht einmal ein Satellit. Warum also nicht die Geste umdrehen und daraus ein kollektives Experiment machen?
Mit Alessandro Farini, der mit Elisabetta Baldanzi in Florenz optische Physik lehrt, und dem Mathematiker Luca Baletti aus Genua, bilden sie ein Forschungsteam – zu Zeiten von Corona natürlich per Smartworking. Alle vier Wissenschaftler gehören zum staatlichen italienischen Forschungszentrum CNR. Dessen 6000 Mitglieder in allen Forschungsdisziplinen sitzen seit der zweiten Märzwoche zu Hause so wie die meisten Einwohner Italiens auch.
Die Messung klappt nur jetzt, da fast ganz Italien abends zu Hause sitzt.
Die Idee ist einfach: Über eine kostenlose App sollen alle Teilnehmer die sogenannte Beleuchtungsstärke Lux messen. Per Aufruf werden die Italienerinnen und Italiener gebeten, an drei Abenden hintereinander jeweils um 21 Uhr von ihren Fenstern oder Balkonen zu messen, wie viel künstliches Licht auf sie einstrahlt.
«Wann sonst hätten wir die Möglichkeit, den Leuten zu sagen: geht genau um diese Uhrzeit ins Freie und macht die Messung. Das klappt nur jetzt, da fast ganz Italien abends zu Hause sitzt.» Baletti kümmert sich um die Kommunikation, Farini um die wissenschaftlichen Kriterien.
«Wie zu viel Lärm kann auch zu viel Licht uns in den Nachtstunden stören», erklärt der Physiker, der sich seit Jahren mit Lichttemperatur und Lichtbrechung auseinandersetzt. «Aufdringliche Beleuchtung kann unseren Schlafrhythmus und unser Wohlbefinden negativ beeinflussen.»
Viel nutzloses Licht
Eine Vollmondnacht strahlt – wie eine Kerze aus einem Meter Entfernung – nur ein Lux aus. Eine 60-Watt-Glühbirne bei der gleichen Entfernung bringt es schon auf 100 Lux. Diese Beleuchtungsstärke misst der Physiker auch an seinem Fenster, so stark ist die Strassenbeleuchtung bei ihm in Florenz. Dies sei auch ein Grund, warum fast alle Einwohner dort mit geschlossenen Fensterläden schlafen.
«Ideal wäre nachts in der Wohnung eine Einstrahlung von null Lux. Für einen Abendspaziergang oder das Ausführen des Hundes würden draussen 20 Lux reichen. In den meisten Städten ist die Beleuchtung aber viel stärker», sagt Perri. Und viele Strassenlampen würden das Licht auch noch kugelförmig ausstrahlen. Das heisst: viel Licht und Energie werde nutzlos in den Himmel geschossen und trage so auch noch zur Lichtverschmutzung in den Städten bei.
Über 1000 Viewer
Farini stellte seine Ausführungen gemeinsam mit den Anleitungen der drei weiteren Wissenschaftler per WebStreaming zu Beginn der Messreihe vor. Bereits hier haben über 1000 Viewer teilgenommen.
An der eigentlichen Messreihe beteiligten sich drei Tage lang dann fast 7250 Personen. Die Organisatoren sind von diesem Interesse überwältigt und versprechen jetzt die baldige Veröffentlichung der Forschungsergebnisse.