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Kampf gegen das Coronavirus Sind das wirklich «Tage der Zuversicht» in Deutschland?

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn hat am Mittwoch von «Tagen der Zuversicht» gesprochen, weil nun auch der Moderna-Impfstoff zugelassen worden ist. Das mag er so sehen, für die meisten Deutschen sind es Tage der Frustration und Wut. Die BILD-Zeitung hat unlängst vorgerechnet, dass beim deutschen Tempo der oder die letzte Deutsche im Jahr 2038 geimpft werden würde. Das war polemisch und nicht ganz akkurat, aber der Tenor der Botschaft war schon richtig.

Kein akkurates Zahlenmaterial

Die Bundesregierung spricht seit Monaten von der schlimmsten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, führt aber diesen Krieg gegen das Virus noch immer mit Faxgeräten. Auch ein knappes Jahr nach Ausbruch der Pandemie sind die Behörden nicht in der Lage, nach einem Wochenende oder Feiertagen akkurates Zahlenmaterial zu präsentieren. Weil zu wenig getestet oder verspätet übermittelt werde. Doch wenn die Kriegsrhetorik der Regierung stimmt, dann müsste Deutschland auch auf «Kriegsproduktion» umstellen.

Nach der heftigen Kritik an zu wenig bestellten Impfdosen sagte nun Jens Spahn, das Problem seien nicht die Bestellungen, sondern die Produktion sei der Flaschenhals für eine rasche Impfung. Nachdem aber bereits im Sommer klar war, dass ein Impfstoff kommt, hätte die Regierung die Logistik für die Produktion bereitstellen können. Auch wenn der genaue Impfstoff nicht bekannt ist, gelten für alle Impfstoffe gewisse bekannte Grundregeln der Produktion.

Kann man ein schnelleres Tempo verlangen?

Bis Ende Sommer soll jedem und jeder in Deutschland ein Impfangebot gemacht werden, verkündet der Gesundheitsminister. Kann man von Deutschland, das sich selbst so lobt, ein schnelleres Tempo verlangen? Vor allem, wenn die Impfung die einzige Hoffnung ist? Das ist eine rhetorische Frage.

Ende Sommer, das bedeutet, wenige Tage vor der Bundestagswahl im September. Der langsame Impfstart prägt schon jetzt den Wahlkampf. Die SPD – selbst Teil der Grossen Koalition – hat sich auf den CDU-Gesundheitsminister eingeschossen. Die BILD-Zeitung wiederum, bewaffnet von Briefen des Gesundheitsministers – woher auch immer – macht die Kanzlerin verantwortlich.

Alle schiessen gegen alle. Darf man die Pandemie zum Wahlkampfthema machen, fragen besorgte Medien. Natürlich. Denn die richtige Strategie ist Thema der politischen Auseinandersetzung. Nur die massive Kritik seitens der Wissenschaft und in der Öffentlichkeit hat die Bundesregierung zu einem schnelleren Tempo angestachelt.

«Gouverner c'est prévoir»

Es gibt einen Spruch, der so alt ist, wie er klingt: «Gouverner c'est prévoir» – Regieren heisst vorausschauen. Die Bundesregierung hat seit dem Sommer meist reagiert, statt agiert. Obwohl Erfahrungen aus der ersten Welle vorlagen. Die Mainzer Firma Biontech hat mit der Produktion eines Impfstoffs in Rekordzeit geliefert. Auch dank finanzieller Unterstützung des Staates. Aber diesen Erfolg darf sich in erster Linie die Wissenschaft auf die Fahne schreiben, nicht die Politik.

Echo der Zeit, 6.1.21, 18:00 Uhr

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