Rachel Notley, die Regierungschefin der Provinz Alberta, strahlte über das ganze Gesicht, als sie am Mittwoch vor den Medien den Vertrag mit den Lubicon Cree präsentierte.
Heute gehe es um Versöhnung, sagte sie, 119 Jahre nachdem Kanada mit den Indianern im Norden Albertas den Vertrag Nummer 8 unterzeichnete.
Vertrag Nummer 8, das war einer dieser Verträge, in denen Ureinwohner im Westen Kanadas im späten 19. Jahrhundert den grössten Teil ihres Landes abtraten. Als Gegenleistung versprach ihnen die Regierung Häuser, Schulen und Gesundheitsversorgung. Jagen und fischen durften sie weiter.
Heute ist ein Tag der Versöhnung. Versöhnung nach 119 Jahren seit Unterzeichnung des Vertrages
Die Cree vom Lubicon Lake unterzeichneten diesen Vertrag damals, im Jahre 1899, nicht. Sie lebten so abgelegen in einem unzugänglichen Waldgebiet etwa 500 Kilometer nördlich von Edmonton, dass sie schlicht übersehen wurden.
Das störte sie lange nicht. Erst eine Generation später, im Jahre 1933, baten sie erstmals um ein eigenes Reservat. Es geschah lange nichts – bis vor rund 50 Jahren: Da erschloss die kanadische Wirtschaft ihr Territorium. Holzfirmen fällten die Bäume für Papierfabriken, Ölgesellschaften förderten das Schwarze Gold.
Der Lebensraum der Lubicon wurde eingeschränkt und zum Teil zerstört. Vom Jagen, Sammeln und Fallenstellen konnten sie bald nicht mehr leben.
Lobbyarbeit während Olympia
Die Lubicon protestierten, mobilisierten Umweltorganisationen, suchten auch in Europa um Hilfe nach, etwa während den Olympischen Winterspielen in Calgary 1988.
Kanada gestand ein, dass die Lubicon Anrecht auf ein Reservat hätten. Doch Verhandlungen brachten nichts, sie scheiterten insbesondere daran, dass die Lubicon für die Zerstörung ihres Gebiets eine Entschädigung forderten. Die Not in der indigenen Gemeinde wuchs.
Carolyn Bennett, die zuständige Bundesministerin gestand denn auch ein, dass die Lubicon eine Gemeinschaft ohne Land geblieben seien. Während die Region um sie herum blühte, hätten sie in kaum mehr bewohnbaren Häusern, ohne fliessendes Wasser und Kanalisation gelebt.
Vor drei Jahren kam aber Bewegung in den Fall. Nach längerem internem Streit erhielten die Lubicon eine neue Führung. Und auch in Alberta sowie in Ottawa wechselten die Regierungen. Ein Vertrag kam in greifbare Nähe.
Ich habe eingesehen, dass sich gewisse Probleme nie lösen lassen.
Das Ergebnis: Die Lubicon erhalten ein Reservat von 246 Quadratkilometern Fläche. Die Provinz Alberta und die Bundesregierung stellen 120 Millionen kanadische Dollar als Entschädigung bereit. Und es gibt in den kommenden Jahren zusätzliches Regierungsgeld für Häuser, Strassen und Schulen.
Wertvolles Öl und Holz
Auf 13 Milliarden Dollar schätzen kanadische Medien den Wert des Holzes und des Öls, welches Konzerne im Land der Lubicon nutzten – ohne Entschädigung.
Ob das nicht ein Missverhältnis sei, wurde Häuptling Billy Joe Laboucan an der Medienkonferenz gefragt. Die Antwort: Er habe eingesehen, dass sich einige Dinge nie lösen liessen. Es bringe nichts, über die Vergangenheit zu jammern. Man müsse in die Zukunft schauen. Die Zukunft sehe er in der Jugend, die mehr als die Hälfte der Menschen in seinem Gemeinwesen ausmache.
Die jungen Leute bekämen nun endlich eine Schule, eine Chance, im Leben Erfolg zu haben – und das wollten sie.