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Katalonien-Referendum «Gegner und Zweifler sind zu Hause geblieben»

Wie ist der klare Zuspruch für die Separatisten in Katalonien einzuschätzen? Journalistin Julia Macher mit Antworten.

SRF News: Fast 90 Prozent haben für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt. Wie ist dieses eindeutige Resultat zu erklären?

Julia Macher: Dieses Referendum hat in erster Linie die Unabhängigkeits-Befürworter mobilisiert, beziehungsweise jene, die in den letzten Wochen durch das harte Durchgreifen Madrids zu solchen geworden sind. Diejenigen, die ihre Zukunft eher bei Spanien sehen oder vielleicht ganz grundlegend Zweifel an so einem Referendum haben, sind gestern zu Hause geblieben. (Die Stimmbeteiligung lag bei 42,3 Prozent, Anmerkung der Redaktion)

Geben diese 90 Prozent dem katalanischen Anspruch auf Unabhängigkeit neue Legitimität?

Julia Macher

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Die Journalistin lebt in Barcelona und berichtet von dort über Gesellschaft und Kultur, hauptsächlich für den Hörfunk.

Das Ergebnis unterstreicht zwar den grossen Rückhalt, den die Unabhängigkeit in der katalanischen Gesellschaft hat. Aufgrund des harten Durchgreifens der Regierung in Madrid ist dieser in letzter Zeit sogar noch gewachsen.

Aber das Referendum rechtfertigt nicht unbedingt eine einseitige Unabhängigkeitserklärung: Es hatte nicht nur einen fraglichen rechtlichen Rahmen, sondern es konnte auch nicht nach demokratischen Spielregeln verlaufen. Während der Abstimmung wurde das Informatik-System immer wieder von der Guardia Civil blockiert, teils wurden halbvolle Urnen in Wahllokalen konfisziert und die Menschen mussten mehrere Stunden warten bis ihre Identität überprüft war. Es stellt sich also die Frage, wie aussagekräftig das Ergebnis einer Abstimmung ist, die unter solchen Bedingungen verlief.

Wenn es bei den Protagonisten Puigdemont und Rajoy bleibt, sind die Chancen für einen Dialog denkbar schlecht.

Wie stehen die Chancen auf einen Dialog zwischen Madrid und Barcelona nach dieser Eskalation?

Wenn es bei den beiden Protagonisten – dem katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont und Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy bleibt – sind die Chancen für einen Dialog denkbar schlecht. Beide haben sich auf ihre Maximalforderungen verhakt und reden nicht miteinander. Die spanische Regierung redet nicht mit Barcelona und umgekehrt.

Es bräuchte tatsächlich die Vermittlung von einer dritten Partei, um einen Dialog in Gang zu bringen. Gestern hatten viele Leute noch Hoffnung, dass die spanischen Sozialisten neuen Wind in die Angelegenheit bringen könnte. Andere waren da sehr skeptisch, weil der Oppositionsführer Pedro Sanchez die Politik Rajoys gegenüber Katalonien noch nicht eindeutig verurteilt hat. Andere hoffen auf eine Vermittlung durch die EU. Das hat auch Puigdemont nochmals nahegelegt. Und so etwas wäre wahrscheinlich am sinnvollsten.

Würden Separatisten und Zentralregierung eine solche Vermittlung von aussen überhaupt akzeptieren?

Ich denke, die katalanischen Separatisten würden so eine Vermittlung akzeptieren. Der Streit um das Referendum ist auch Ergebnis eines Versuches, die katalanische Frage auf die internationale Tagesordnung zu setzen. Dieses Ziel wurde durch die gestrigen Ausschreitungen erreicht. Fraglich ist, inwieweit Rajoy darauf eingehen wird. Das wird sich zeigen müssen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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