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Korruption bekämpfen «Andere Staaten Lateinamerikas schauen neidisch auf Guatemala»

Korruption ist in Lateinamerika nach wie vor einer der Hauptgründe für fehlende wirtschaftliche Entwicklung, für Gewalt und für Armut. Nicht anders ist das in Guatemala. Im Kampf gegen Korruption darf der Staat jedoch schon fast als Vorzeigeland bezeichnet werden, auch dank der Internationale Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG). Diese Woche wurde nun der ehemalige Präsident Alvaro Colom sowie neun seiner ehemaligen Minister verhaftet.

SRF News: Was wird dem ehemaligen Präsidenten Colom genau vorgeworfen?

Michael Castritius: Das ist so ein klassischer Korruptionsfall, wie wir ihn in Lateinamerika kennen. Es geht um ein Bussystem, welches in Guatemala-Stadt eingeführt wurde: Schnellbusse, die extra Spuren haben. Diese sinnvolle Sache ist aus Bogota und Mexiko-Stadt bekannt. Aber dafür muss eben viel Geld ausgegeben werden. Dabei sollen 35 Millionen US-Dollar an öffentlichen Geldern «verschwunden» sein. Das wirft jedenfalls die Justiz dem Ex-Präsidenten Colom und seinen Ex-Ministern vor. Wie das im Detail ablief, ist noch nicht klar. Die Anklageschrift ist noch nicht geschrieben.

Unter den Verhafteten befindet sich auch Juan Alberto Fuentes. Der ehemalige Finanzminister war bis vor wenigen Tagen auch Präsident von Oxfam International, der wegen Missbrauchsskandalen massiv in der Kritik stehenden Nichtregierungsorganisation. Spielt Oxfam hier eine Rolle?

Offenbar nicht. Dieser Fall, also der Buskauf, war noch vor der Zeit von Fuentes bei Oxfam. Die Organisation hat wohl nichts damit zu tun. Ob der Mann persönlich noch Dreck am Stecken hat, wissen wir nicht.

CICIG

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Die Internationale Kommission gegen Straflosigkeit (CICIG) der UNO unterstütz Guatemala seit 2007 im Kampf gegen Korruption und das organisierte Verbrechen. Sie war bereits an den Verfahren gegen den früheren Innenminister Carlos Vielman, den Ex-Militär und Unterweltkönig Byron Lima und Ex-Präsident Otto Pérez Molina beteiligt. Einflussreiche Kreise versuchen immer wieder, die Arbeit von CICIG zu behindern und ihr Mandat zu beenden. Die Ermittlergruppe geniesst jedoch den Rückhalt der USA, die Wirtschaftshilfen vom entschlossenen Kampf gegen die Korruption abhängig machen.

Seit 2007 ist die CICIG in Guatemala tätig. Drei Präsidenten sitzen nun in Haft, gegen über 100 Regierungsfunktionäre laufen Ermittlungen. Das tönt nach einer Erfolgsgeschichte?

Das ist eine Erfolgsgeschichte, jedenfalls was die Ermittlungen anbelangt. Der Nachfolger von Colom sitzt bereits seit ein paar Jahren in Haft und Otto Pérez Molina konnte auch ein Netzwerk nachgewiesen werden, an dem er beteiligt war, wo Steuern und Zollgelder beschlagnahmt und verteilt wurden. Eine ganze Gruppe von Personen war daran beteiligt. Der Mann sitzt zusammen mit seiner Vizepräsidentin in Haft.

Auch der Vorgänger von Alvaro Colom sitzt in Haft und zwar in den USA. Dieser hatte Bestechungsgelder aus Taiwan angenommen. Insgesamt sitzen also drei Präsidenten in Folge in Haft. Und auch gegen Jimmy Morales wurde ermittelt. Diese Ermittlungen mussten jedoch eingestellt werden, weil das Parlament die Immunität nicht aufgehoben hat.

Das ist eine Erfolgsgeschichte, jedenfalls was die Ermittlungen anbelangt – in der Tat.

Da kommen wir zu den grossen Netzwerken. Die versuchen nämlich, die Arbeit der CICIG – die sehr erfolgreich ist – zu verhindern, indem sie sich zusammenschliessen. Neben den Ermittlern und der Staatsanwältin, die eine mutige Frau ist, sind alle weiteren Institutionen in der Hand dieses Netzwerkes aus Politikern und Unternehmern. «Pacto de los Corruptos» wird das Netzwerk in der Bevölkerung genannt, die gegen diesen Pakt auf der Strasse und in den sozialen Medien aufsteht. Die haben zumindest erreicht, dass Molina oder jetzt Colom bis in die Gefängnisse hereingekommen sind. Aber ein endgültiger Erfolg ist es noch nicht, aber ein ganz wichtiger Schritt.

Wenn wir das zusammenfassen: Die Erfolge dieser fremden Ermittler im Kampf gegen die Korruption in Guatemala sind beachtlich. Wäre dieses Modell auch etwas für andere Staaten in der Region, wo das Justizsystem nicht funktioniert?

Unbedingt: Das war allerdings eine Ausnahmesituation, dass 2006 die damalige guatemaltekische Regierung dieses Abkommen mit der UNO geschlossen hat und diese Ermittlungskommission einzurichten. Der zweite Glücksfall ist, dass im Moment eine Staatsanwältin in Guatemala arbeitet, die sehr offen ist und mit der Kommission zusammenarbeitet. Sie hat auch den Mut, solche Haftbefehle und Ermittlungen zu Ende zu führen. Das kann sich aber schon bald ändern, denn die Amtszeit der Generalstaatsanwältin endet im Frühling dieses Jahres. Zudem läuft auch der Vertrag mit der CICIG im nächsten Jahr aus. Dann steht in den Sternen, ob es so weiter geht in Guatemala.

Andere Staaten schauen ganz neidisch auf Guatemala und das zurecht.

Aber im Prinzip: In solchen korrupten Strukturen, wie wir sie in Guatemala und in vielen anderen Ländern Lateinamerikas haben, wo das System – beginnend bei der Polizei über die Justiz bis hin zur Politik – zersetzt ist, da helfen wahrscheinlich tatsächlich nur Ermittlungen von aussen. Aber immerhin: es wird ermittelt und da schauen andere Staaten ganz neidisch auf Guatemala und das zurecht.

Michael Castritius

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Michael Castritius

Castritius war während vieler Jahre Mittelamerika-Korrespondent der ARD und ist nun als freier Journalist in Mexiko tätig.

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