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Lage in der Westbank «Israel müsste in den Spiegel schauen»

Der Plan heisst «Deal of the century» – Jahrhundertabkommen. Es ist der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump für den Nahen Osten. Noch immer ist nicht klar, was darin genau steht. Ende Juni soll er vorgestellt werden. In den von Israel besetzten Palästinenser-Gebieten gebe es viel Verzweiflung und keine Hoffnung, sagt der Menschenrechtsaktivist Hagai El-Ad.

Hagai El-Ad

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Der israelische Menschenrechtsaktivist Hagai El-Ad (50) ist seit 2014 Direktor der Nichtregierungsorganisation B'Tselem. Zuvor vor war er Direktor der Vereinigung für Bürgerrechte in Israel und des Jerusalem Open House für Stolz und Toleranz.

Die Organisation B'Tselem hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschenrechtsverletzungen in Palästina nachzuweisen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die NGO wird unter anderem von UNICEF und der EU-Kommission finanziell unterstützt. In Israel ist B'Tselem umstritten. Kritiker aus dem rechten politischen Lager sprechen von «Feinden Israels».

SRF News: Können Sie den Alltag der Palästinenser in der Westbank beschreiben?

Hagai El-Ad: Wir leben in einer Ein-Staat-Realität. Es gibt eine Regierung, die israelische. Sie kontrolliert jeden und alles zwischen dem Mittelmeer und dem Fluss Jordan. Für die Palästinenser in der besetzten Westbank bedeutet dies, dass sie von einer Regierung beherrscht werden, in der sie nicht vertreten sind. Alles, was Palästinenser tun, unterliegt den willkürlichen Entscheiden Israels. Die Palästinenser benötigen für alles eine Bewilligung.

Es gibt also keine Freiheit?

Es gibt keine Freiheit und keinen Rekurs gegenüber der Autorität, die das Leben der Palästinenser kontrolliert.

Wird es zunehmend schwieriger für die Palästinenser?

Es geht auf und ab, es war mal schlimmer, mal besser. Das Schwierigste ist, dass der Zustand nach 53 Jahren so normal geworden ist und man kein Ende sieht. So gibt es viel Verzweiflung, und es fehlt an Hoffnung.

Dokumentieren Sie auch Anschläge der Palästinenser auf Israeli?

Ja, sicher. Sie finden auf unserer Homepage eine sehr detaillierte Aufstellung von israelischen und palästinensischen Todesopfern.

Viele Menschen in Israel finden, dass Sie übertreiben. Premier Netanjahu bezichtigt Sie gar der Lüge. Wer hört Ihnen noch zu?

Man versucht seit 30 Jahren vergeblich, unsere Glaubwürdigkeit zu untergraben. Wir sind der Faktentreue absolut verpflichtet. Das Problem sind ohnehin nicht die Fakten. Das Problem für Israel ist, dass es schwierig ist, in den eigenen Spiegel zu schauen. Wenn sie uns diskreditieren, dann können sie die Besetzungspolitik fortsetzen, ohne Konsequenzen zu befürchten.

Kümmert sich die palästinensische Führung nicht viel zu sehr um sich und ihre Pfründe statt um die Bedürfnisse der Palästinenser?

Es gibt viel Kritik der Palästinenser an ihrer Führung. Aber wir müssen uns erinnern, dass die Autonomiebehörde als ein Mittel zur Unabhängigkeit gegründet wurde. Das hat nicht funktioniert. Die Behörde hat nur eingeschränkte Macht. Israel bestimmt den Alltag.

Unter den aktuellen Bedingungen ist für Israel ein Palästinenserstaat keine echte Option. Sie fürchten sich vor einem «failed state».

Wir sollten auch von der Sicherheit für Palästinenser sprechen, nicht nur von derjenigen für die Juden. Es geht um Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit für alle. Nach dem Willen Israels soll die Welt akzeptieren, dass die Besetzung der palästinensischen Gebiete «demokratisch» ist, weil wir Wahlen haben. Doch von Demokratie zu sprechen, ist ein Widerspruch in sich, wenn ein Volk die Macht über ein anderes hat.

Ist es nicht zu einfach, nur der einen Seite die Schuld zu geben?

Wenn Leute von zwei Seiten des Konflikts sprechen, dann gehen sie davon aus, dass sich zwei gleichberechtigte Seiten gegenüberstehen. Doch das ist nicht der Fall.

Glauben Sie noch daran, dass sich die Situation verbessern wird?

Die Hoffnung besteht darin, sich zur Verwirklichung von Werten zu bekennen. Es braucht eine Zukunft, die auf Gerechtigkeit fusst. Dieses Bekenntnis gibt mir Hoffnung. Ich hoffe, dass dies auch vielen anderen Hoffnung gibt.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

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