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Israels Justizreform: «eine der härtesten Zerreissproben»
Aus News Plus vom 02.03.2023. Bild: SRF
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Landesweite Proteste Droht Israel eine Mehrheitsdiktatur? Alles zur Justizreform

Wer sind die Demonstrierenden? Israelis aus fast allen Segmenten der Bevölkerung. Sogar Leute, welche Premier Netanjahu immer gewählt haben, sind unzufrieden mit dem, was die Regierung vorhat.

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Netanjahus Krisenfestigkeit wird auf die Probe gestellt
Aus Tagesschau vom 02.03.2023.
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Weshalb wird demonstriert? Wer auf die Strasse geht, ist besorgt um die Demokratie in Israel. Die Demonstrierenden haben Angst, dass die Regierung – die extremste, die Israel je hatte – eine Mehrheitsdiktatur einführt.

Was beinhaltet die umstrittene Justizreform? Die Kontrolle der Mehrheitsregierung über die Wahl von Richter und Richterinnen, die Kompetenz, Gesetze zu erlassen und abzuändern, wie die Regierung es will. Das höchste Gericht soll solche Gesetze nicht mehr verbieten können, auch wenn diese gegen Grundrechte verstossen. Ein Beispiel: Findet eine Mehrheit, Frauen müssten – wie das religiöse Kreise verlangen – immer hinten im Bus Platz nehmen und dürften gewisse Strassen gar nicht betreten, kann sie ein entsprechendes Gesetz erlassen.

Demonstrierende.
Legende: Die Menschen gehen seit Tagen in Israel auf die Strasse, um gegen die Pläne der Regierung zu demonstrieren. Keystone/OHAD ZWIGENBERG

Bis anhin konnte das höchste Gericht eingreifen und tat es auch, mit der Begründung, ein solches Gesetz würde die Grundrechte von Frauen aushebeln.

Wer steckt hinter dem Versuch, das höchste Gericht auszuhebeln? Einerseits ist nur eine Minderheit der israelischen Bevölkerung zufrieden mit dem höchsten Gericht. Rechte und Linke finden, dass Richter ihre Macht missbrauchen würden und teilweise sehr bedenkliche Urteile fällten. Treibende Kraft hinter der geplanten Justizreform sind auffallend viele Politiker, welche selbst mit der Justiz in Konflikt geraten sind.

Premier Netanjahu muss sich wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Bei einem Schuldspruch droht ihm eine Gefängnisstrafe. Erst kürzlich hat das höchste Gericht bestimmt, dass sich Netanjahu gar nicht an einer Justizreform beteiligen dürfe, weil er einen Interessenskonflikt hat.

Zwei Männer.
Legende: Deri (links) und Netanjahu im Gespräch. Keystone/RONEN ZVULUN

Aryeh Deri, ehemaliger Innenminister, sass wegen Betrugs sogar im Gefängnis. Er kam mit einer milderen Strafe davon, weil er versprach, nie mehr in die Politik zurückzukehren. Prompt tat er genau das und wurde in Netanjahus Regierung Minister. Die Richterinnen entschieden, dass dies nicht gehe und Deri zurücktreten müsse. Netanjahu gab zähneknirschend nach. Deri erklärt nun aber, dass er und die jetzige Regierung das Gesetz so ändern würden, dass er trotzdem Minister sein kann.

Netanjahu und das höchste Gericht

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Ironischerweise musste das höchste Gericht unlängst die Frage beantworten, ob Netanjahu überhaupt noch Premier werden darf, wenn er doch wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht. Das höchste Gericht entschied zu seinen Gunsten. Und nun will Netanjahu das höchste Gericht aushebeln.

Das ist ein Beispiel für ein Urteil, das in Israel bei vielen Kopfschütteln übers höchste Gericht ausgelöst hat. Hätte das Gericht Netanjahu verboten, während eines laufenden Prozesses Premier zu werden, wäre Israel nicht in der wohl grössten Krise, welche seine Demokratie je erlebt hat.

Die Ultraorthodoxen sehen im höchsten Gericht eine Gefahr für ihre Lebensweise. Die ultrareligiösen Juden und Jüdinnen leisten keinen obligatorischen Militärdienst. Geschlechtertrennung im öffentlichen Raum ist ihnen ganz wichtig. Als selbst einige ultraorthodoxe Jüdinnen dagegen klagten, dass sie hinten im Bus Platz nehmen müssen, gaben ihnen die Gerichte recht. Dies stört die Rabbiner und deshalb sind sie für eine Justizreform.

Wie ist es möglich, dass eine Regierung innert Wochen den ganzen Rechtsstaat auf den Kopf stellen kann?  Der Hauptgrund liegt darin, dass Israel keine Verfassung hat, in welcher Grundrechte definiert sind. Eine solche hätte die erste Knesset Israels nach der Staatsgründung verabschieden sollen; aber das tat sie bis heute nicht. Seit den 1990er-Jahren gibt es zwar einen Katalog von Grundrechten, aber diese sind nicht in Stein gemeisselt. Israel hat nur eine Parlamentskammer. Es gibt – im Vergleich zu anderen westlichen Staaten – weniger sogenannte «Checks and Balances», also wenig mässigende Leitplanken für Politiker.

 

Tagesschau, 02.03.2023, 12:45 Uhr;

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