In den USA leben über elf Millionen illegale Einwanderer – zumeist schon seit vielen Jahren. Die meisten stammen aus Lateinamerika. Fast 500'000 Illegale kommen seit Anfang der 90er-Jahre jährlich über die Grenze. Seit über zehn Jahren ist das Thema Einwanderung heiss umstritten.
In seinem Wahlkampf hatte Obama eine umfassende Einwanderungsreform versprochen. Illegal Eingewanderte sollten eine Perspektive auf die US-Staatsbürgerschaft haben. Mit diesem Versprechen hatte er sich die Unterstützung der hispanoamerikanischen Bevölkerung gesichert, die 2012 entscheidend zu seiner Wiederwahl beitrug.
Doch alle Versuche einer grundlegenden Reform sind in den vergangenen Jahren am Streit zwischen Obamas Demokraten und den Republikanern im Kongress gescheitert.
Familien auseinandergerissen
Untätig blieb Obama in seiner Amtszeit aber nicht. Per Exekutivanordnung räumte er Hunderttausenden Einwanderern ein Bleiberecht ein, die als Kinder oder Jugendliche illegal in die USA gekommen sind. Doch für die hispanische Bevölkerung im Lande ist dies zu wenig.
Ein Dorn im Auge ist seinen Kritikern aber vornehmlich die hohe Zahl an Abschiebungen. «Deporter-in Chief» nennt ihn die Linke mittlerweile: Fast 2 Millionen Personen wurden während seiner Amtszeit bisher ausgeschafft – mehr als unter seinem Vorgänger George W. Bush in seinen 8 Amtsjahren. Das sei nicht humanitär, beklagen die einen, die anderen monieren die enormen Kosten des Ausschaffungsapparats.
Illegale kriminalisiert
Auch andere Bereiche des Einwanderungssystems hat die US-Regierung verschärft. Zwei Drittel der abgeschobenen Personen sind mehr als einmal illegal über die Grenze in die USA gekommen – laut US-Einwanderungsgesetz eine Straftat. Obamas Vorgänger hatten diesem ausländerrechtlichen Verstoss keine grosse Bedeutung beigemessen. Sie verwiesen Illegale des Landes, aber sie klagten sie nicht an.
Erst unter der demokratischen Regierung Obama wurde die Richtlinie verfasst, Priorität für die Strafverfolgung hätten nebst Kriminellen auch Leute, «die mehr als einmal illegal ins Land gekommen sind».
Flüchtlingsdrama von Jugendlichen
Angeheizt wurde die Einwanderungsdebatte in diesem Jahr weiter durch ein Flüchtlingsdrama an der Südgrenze der USA. Bis September wurden fast 70'000 unbegleitete Minderjährige an der US-Grenze aufgegriffen – 77 Prozent mehr als im Vorjahr. Etwa drei Viertel von ihnen stammen aus El Salvador, Honduras und Guatemala, den wichtigsten Herkunftsländern der illegalen Einwanderer.
Der tragische Exodus der jugendlichen Migranten ohne Papiere bewog Obama dazu, zusätzliche Gelder in Milliardenhöhe zu beantragen. Damit sollen die Jugendlichen untergebracht werden, der Abschiebeprozess beschleunigt und der Grenzschutz verbessert werden.
Für die Republikaner ist der jüngste massive Zustrom ein weiteres Zeichen, dass der demokratische Präsident nicht strikt genug gegen die illegale Einwanderung vorgeht und mit seiner liberalen Politik den Zustrom an illegalen Minderjährigen sogar noch angeheizt hat. Für die Rechte gibt es nun vor allem eine Priorität: Die Grenzen besser zu sichern.
Aufrüstung an der Grenze
Seit 2006 versuchen die USA mit einem Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko der illegalen Einwanderung Herr zu werden. Auf rund 1100 Kilometern erstreckt sich ein befestigter Zaun, ausgerüstet mit Kameras und Bewegungsmeldern. Innerhalb der letzten sieben Jahre wurde die Zahl der Grenzbeamten auf fast 22'000 verdoppelt. Fast 18 Milliarden Dollar gaben die USA 2012 für die Grenzsicherung aus.
Wegen der verschärften Grenzkontrollen wählen die südamerikanischen Migranten immer gefährlichere Wege, um in die USA zu gelangen. Jedes Jahr sterben laut Hilfsorganisationen in dem Grenzgebiet Hunderte von Personen.
Doch einigen US-Bürgern in den betroffenen grenznahen US-Staaten ist die Mauer weiterhin zu porös. Selbsternannte Heimatschützer bewaffnen sich, mit dem Ziel, die Illegalen an der Einreise zu hindern. Die Wut auf Washington ist gross bei diesen Bürgerwehren, der Unmut in der Bevölkerung steigt.
Leider hat Washington das Problem zu lange verfaulen lassen.
Angesichts der politischen Blockade will Obama die Sache nun selber in die Hand nehmen und seine Einwanderungspolitik im Alleingang durchsetzen. Sein Ziel: Das «kaputte» Einwanderungsrecht mit einem Gesetz komplett zu reformieren.
So will der US-Präsident Illegale besser gegen Abschiebung schützen. Bis zu fünf Millionen illegale Einwanderer könnten davon profitieren. So sollen Eltern von Kindern, die US-Bürger sind oder sich legal in den USA aufhalten, eine Arbeitserlaubnis bekommen und im Land bleiben können.
Die Republikaner kündigten bereits massiven Widerstand an: Sie drohen, sich bei anstehenden Etatverhandlungen querzustellen – bis Obama nachgibt. Konservative Hardliner brachten eine komplette Budgetsperre oder gar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten ins Gespräch. Die republikanische Parteiführung zeigte sich von diesen Ideen aber wenig angetan.