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Macrons und Merkels Vorschlag Der deutsch-französische Geist scheint wachgeküsst

Der gemeinsame Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron heute war ein wichtiges Signal. Zum ersten Mal seit langem standen die beiden wieder Seite an Seite für ein starkes Europa – wenn auch nur virtuell.

Die Liebe wird wieder erwidert

Alle französischen Versuche, Europa aktiv zu gestalten, waren zuvor auf deutscher Seite ins Leere gelaufen. Macrons Liebe blieb seit der Unterzeichnung des Aachener Vertrags für mehr Zusammenarbeit und Integration im Januar 2019 unerwidert. Heute schien der Deutsch-Französische Geist wachgeküsst.

Angela Merkel sprach von der dringend notwendigen «europäischen Souveränität» und davon, das europäische Wettbewerbsrechts neu auslegen zu wollen, um künftig eigenen «Champions» eine gewichtige Stellung auf dem Weltmarkt zu ermöglichen. Letztes Jahr noch war eine Fusion zwischen der französischen Alstom und der deutschen Siemens am europäischen Wettbewerbsrecht gescheitert.

Finanzielle Zurückhaltung

Die EU, die manche schon als Opfer der Corona-Krise und auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit sahen, bringt sich zurück ins Spiel – wenn auch finanziell sparsamer, als gefordert. Eine Billion Euro seien nötig, hatte es im Vorfeld geheissen, nun sollen es 500 Milliarden werden. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass Angela Merkel zum ersten Mal in gemeinsame Europäische Kredite einwilligt, was sie bisher immer kategorisch abgelehnt hatte.

Sie springt über den deutschen Schatten, trägt Macrons Idee mit und ringt ihm dafür finanzielle Zurückhaltung ab. Profitieren sollen jene Länder, die am schwersten unter der Coronakrise zu leiden haben, wie Italien oder Spanien, die nach der letzten Finanzkrise bereits erhebliche sozialstaatliche Einschnitte hinnehmen mussten, und die nun als Tourismusziele hohe Einbussen erleiden. Ihnen gilt dieses Hilfspaket, nachdem sie den ersten Vorschlag der EU noch abgelehnt hatten.

Die Entscheidungskompetenz liegt bei der Kommission, die die deutsch-französische Initiative in ihren Plan für einen Wiederaufbau-Fonds einfliessen lassen wird. Symbolisch aber haben Merkel und Macron der EU bereits heute wieder neues Leben eingehaucht.

Bettina Ramseier

Deutschland-Korrespondentin, SRF

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Bettina Ramseier ist SRF-Korrespondentin in Berlin. Sie ist seit 15 Jahren TV-Journalistin: Zuerst bei TeleZüri, danach als Wirtschaftsredaktorin bei SRF für «ECO», die «Tagesschau» und «10vor10».

Echo der Zeit, 18.05.2020, 18:05 Uhr

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