Das Wichtigste in Kürze
- Eine indische Firma darf in der Region Queensland ein gigantisches Bergbau-Projekt umsetzen. So könnte dort die grösste Kohlemine Australiens entstehen.
- Die Regierung ist begeistert: Die Carmichael-Mine soll tausende Arbeitsplätze schaffen und horrende Einnahmen generieren.
- Kritiker sind entsetzt: Die Kohlemine gefährde Mensch und Tier und führe zu bleibenden Klima- und Umweltschäden.
In Europa und China werden Kohlebergwerke zuhauf stillgelegt, weil sich die Produktion schlicht nicht mehr lohnt. Dazu kommt: Der Energieträger Kohle wird wegen massiver Schadstoffemissionen für den Klimawandel mitverantwortlich gemacht.
Statt auf alternative Energiequellen umzuschwenken, glaubt man in «Down Under» an die Zukunft des Rohstoffs. Freilich auch, weil er in rauen Mengen vorhanden ist: Australien verfügt über etwa zehn Prozent der weltweiten Kohlevorräte.
Deswegen unterstützt die Regierung auch das gigantische Bergbau-Projekt des indischen Konzerns Adani: Im Tropenparadies Queensland könnte, so sie denn gebaut wird, eine der grössten Kohleminen der Welt entstehen. Der indische Multi sucht fieberhaft nach Investoren.
Australischer Gigantismus
Das Bergbauprojekt Carmichael soll 447 Quadratkilometer gross und etwa 50 Kilometer lang werden; die Mine soll über sechs Tage- und fünf Untertagebauanlagen verfügen; in Vollproduktion soll sie jährlich etwa 60 Millionen Kohle fördern können. Für den Transport muss eine 300 Kilometer lange Bahnlinie neu gebaut, ein bestehender Hafen massiv ausgebaut werden. Die Kohle wird dann über das Great Barrier Reef verschifft. |
Riesige Erwartungen
Das wichtigste Argument für die Baubewilligung: Arbeitsplätze. Premierminister Malcolm Turnbull versprach «Zehntausende neue Jobs» durch die Mine. Urs Wälterlin, SRF-Mitarbeiter in Australien, bremst die Euphorie: «Es werden höchstens 1500 sein, das sagte sogar Adani selbst.»
Die Sorge um die Arbeitnehmer ist, findet Wälterlin, nur die halbe Wahrheit: «Vize-Premier Barnaby Joyce hat jüngst – vielleicht etwas naiv – den wirklichen Grund für die Unterstützung des Projekts genannt: ‹Making Money› (deutsch: ‹Geld machen›».
Die Folgen für die Umwelt
Wird die gigantische Mine Realität, hätte das weitreichende Folgen für Mensch und Natur. Die Umweltorganisation Greenpeace hat ausgerechnet, dass die Mine bei Spitzenproduktion mehr CO2 generieren würde als so manches Land.
Der Grundwasserspiegel könnte um mehrere Meter gesenkt werden, zudem dürfte der Lebensraum gefährdeter Tierarten zerstört werden. Schliesslich werden, so Wälterlin, auch die Rechte der Ureinwohner verletzt: «Sie sind die traditionellen Besitzer des Gebietes und gegen das Projekt.»
Der Betreiber Adani kontert die Kritik. Das Unternehmen will die gesamte Kohleproduktion in Indien verkaufen. Man wolle damit Millionen Menschen aus der Armut helfen – denn diese erhielten Zugang zu billiger Elektrizität.
Breite Front gegen das Projekt
Wenig überraschend laufen auch Grüne und Umweltverbände Sturm gegen die Carmichael-Mine. Der Druck auf mögliche Investoren wird immer grösser: Rund ein Dutzend mögliche Geldgeber und internationale Finanzinstitute haben bereits versprochen, sie würden das Projekt nicht mitfinanzieren.
In letzter Zeit übten aber auch Bauern verstärkt Kritik, sagt Wälterlin: «Denn ohne Wasser ist ihre Lebensgrundlage gefährdet». Wissenschaftler warnen derweil vor verheerenden Folgen für das nahegelegene Great Barrier Reef: «Sie sind nicht nur wegen des CO2 besorgt, sondern auch wegen Kohlestaubs, der sich auf die Korallen legen und sie ersticken könnte.»
Verflechtung von Industrie und Politik
Die Befürworter des milliardenschweren Projekts lassen sich nicht beeindrucken: «Sie wollen sich nicht von den ‹Ökoterroristen› unterkriegen lassen, wie einige Politiker die Kritiker tatsächlich nennen», sagt Wälterlin. Auch, weil der Einfluss der Skeptiker des Klimawandels in der Regierung Turnbull beträchtlich, ja «mindestens so gross wie in der Regierung Trump ist», so Wälterlin.
Das Ringen um «Carmichael» dürfte weitergehen. Und, wie Wälterlin sagt, zum Testfall für die Zukunft des Energieträgers insgesamt werden: «Ausschlaggebend ist, ob sich das Projekt wirtschaftlich lohnen wird. Das wird nicht der Fall sein, wenn die Konsumenten weltweit Nein zu mehr Kohlestrom sagen.»
Für die Wissenschaft sei schon jetzt klar, schliesst Wälterlin: «Die australische Kohle muss unter dem Boden bleiben.»