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International Militärschlag gegen Syrien: «Bitte keine Alibi-Aktion»

Mit dem Giftgasangriff in der vergangenen Woche hat Assad die rote Linie überschritten. Eine Intervention scheint damit nur noch eine Frage der Zeit. Doch wie wird sie aussehen, wie sollte sie aussehen? SRF News Online sprach darüber mit dem Schweizer Kriegsreporter und Syrien-Kenner Kurt Pelda.

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Eskalation in Syrien
Aus Rundschau vom 28.08.2013.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 5 Sekunden.

Herr Pelda, eine militärische Intervention in Syrien scheint bevor zu stehen. Wie stehen Sie dazu?

Ich persönlich finde den Schritt längst überfällig. Allerdings ist die Situation schwierig und die Auswirkungen eines militärischen Schlages sind schwer abzuschätzen.

Sieht das die syrische Opposition auch so?

Ich habe mit Freunden dort gesprochen. Sie würden einen Militärschlag uneingeschränkt begrüssen – nur, sie glauben nicht so recht daran. Aus ihrer Sicht hat der Westen immer nur viel versprochen. Wenn nichts geschieht, befürchten diese Leute, dass Assad noch mehr Nervengas einsetzen wird.

Gesetzt den Fall es kommt zum Angriff auf Assad, wie sollte der erfolgen?

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Der Schweizer Kurt Pelda arbeitet seit 30 Jahren als Kriegsreporter. Er berichtete unter anderem schon für SRF und «Spiegel» von den Brennpunkten dieser Welt – darunter aus Afghanistan, Libyen und Syrien.

Für wahrscheinlich halte ich es, dass die Amerikaner versuchen werden, die Trägermittel für chemische Waffen Assads zu vernichten – also vor allem Flugzeuge, Helikopter und Artillerie.

Mit gezielten Luftschlägen sollte das problemlos möglich sein?

Ja und Nein. Die Zerstörung der sechs noch vorhandenen Flugplätze und rund 100 Maschinen sollte in der Tat kein Problem darstellen. Ganz anders sieht es dagegen bei den mobilen Waffen aus. Nach meinen Informationen versucht Assad sie gerade zu verstecken oder aber inmitten von Wohngebieten zu stationieren.

Der Syrien-Konflikt zieht schon jetzt Kreise weit über das Land hinaus. Droht bei einem militärischen Eingreifen des Westens nicht ein Flächenbrand in der Region?

Für mich ist die alles entscheidende Frage: Wie ernst ist es dem Westen bei seinem Angriff? Geht es mehr um eine Alibi-Aktion oder will man tatsächlich den Diktator vom Thron stossen? Wenn klar ist, dass die Intervention glaubwürdig geführt wird, dann hält sich der Iran wohl zurück. Wenn es aber nur eine Alibi-Übung ist, dann könnten sich die anderen Regionalmächte veranlasst sehen, ihre Interessen in dem Konflikt zu wahren und militärisch einzugreifen.

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Die Schiiten sind die zweitgrösste Gruppe im Islam. Sie haben einen Anteil von rund 10 Prozent, das sind weltweit etwa 100 Millionen. Im Iran ist die Shia seit dem 16. Jahrhundert Staatsreligion. Grössere Gruppen leben im Irak, in Indien und in Pakistan.

Sunniten bilden die grösste Glaubensrichtung im Islam. Weltweit gibt es 1,2 Milliarden Anhänger.

Was hat der Iran, was haben die anderen Staaten mit dem Syrien-Konflikt zu tun?

Schon jetzt handelt es sich in Syrien nur noch vordergründig um den Kampf gegen den verhassten Diktator. Hinter den Kulissen ist klar: Es geht eigentlich um den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten – weit über die Grenzen Syriens hinaus.

Aber in Syrien sind doch nur zwei Prozent der Bevölkerung Schiiten?

Das stimmt. Aber die Alawiten, zu denen die Familie Assads gehört und die bis zu 15 Prozent der Bevölkerung Syriens ausmachen sollen, werden dem schiitischen Spektrum des Islam zugeordnet. So kommt es, dass Assad eine massive Unterstützung durch schiitische Hisbollah-Milizen und den Iran erhält. Ausserdem kämpfen Schiiten aus dem Irak und aus Afghanistan für Assad.

Wer genau steht sich eigentlich im Syrien-Konflikt gegenüber – von den bekannten Akteuren im Land selbst einmal abgesehen?

Auf der einen Seite sind da die Regierung Assad, der Iran, die libanesische Hisbollah und mehr oder weniger verdeckt auch die irakischen Milizen. Demgegenüber stehen Saudi-Arabien, die Türkei und Jordanien sowie Qatar und Libyen. Im Hintergrund mischen Russland, die USA, Grossbritannien und Frankreich mit – versuchen ihre eigenen geopolitischen Interessen zu wahren.

Was muss passieren, damit diese zwei Blöcke nicht aufeinander losgehen?

Entscheidend wird sein, wer bei einem Militärschlag gegen Syrien involviert ist. Denn je nachdem wie die Koalition aussieht, könnte es zu einer schrecklichen regionalen Eskalation kommen. Vor allem der Iran hat eine riesige Armee. Wenn Teheran Assad eine Eingreiftruppe zur Seite stellt, könnte es zur direkten Konfrontation mit den Amerikanern kommen.

Würde es der Iran tatsächlich auf einen Konflikt mit den USA ankommen lassen?

Ob der Iran so einen Schritt wagt, hängt davon ab, ob der westliche Militärschlag bloss eine Alibiübung oder eine echte Demonstration der Stärke sein wird. Nur ein hartes Zuschlagen, vielleicht sogar über einen längeren Zeitraum hinweg, wird den iranischen Mullahs klar machen, dass Assads Zeit abgelaufen ist. Ich bezweifle aber, dass es zu so einem Schlag kommen wird.

Bevor man nur halbherzig vorgeht, sollte man nicht dann lieber ganz auf eine militärische Intervention verzichten?

Nein, auf keinen Fall. Wenn die Welt verhindern will, dass es zu weiteren Einsätzen von Massenvernichtungswaffen kommt – und zwar weit über Syrien hinaus, dann muss sie nun endlich etwas tun. Assad sollte deshalb in seine Schranken gewiesen werden.

Momentan erscheint es aber fast so, als würde der Westen mit einem Angriff zögern?

Aktuell sind noch UNO-Inspektoren im Land und die USA allein verfügen noch nicht über allzu viele Waffen in dem Gebiet. Anders sähe es aus, wenn die Saudis und Türken mit im Boot wären. Diese Länder verfügen über starke Luftwaffen. Dann könnte alles sehr schnell gehen. Aber momentan ist das alles Kaffeesatz-Leserei.

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