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International «Panama Papers»: Wen die Steuertricks am meisten schmerzen

Gerade Entwicklungsländer verlieren durch Steueroptimierung und Geldwäscherei Jahr für Jahr Milliarden. Geld, das dann für Infrastruktur, Bildung oder das Gesundheitswesen fehlt, wie das Beispiel Afrika zeigt.

Die Länder südlich der Sahara sind weltweite Spitzenreiter in einer ungünstigen Disziplin: aus Subsahara Afrika fliesst am meisten Geld ab, gemessen an der Wirtschaftsleistung der Region.

Infrastruktur leidet unter Geldabflüssen

Jedes Jahr versickern laut Schätzungen zwischen 50 und 100 Milliarden Dollar. Mehr, als der Kontinent an Entwicklungsgeldern erhält.

Geld, dass diese Länder dringend bräuchten, sagt Jason Braganza, von der NGO Tax Justice Network Africa, «um Krankenhäuser, Schulen, Strassen zu bauen, für die Strom- und Wasserversorgung». Die gesamte Entwicklung der Region werde gelähmt, wenn jedes Jahr Milliarden abhanden kämen.

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Panama Papers und Folgen für Afrika
aus Info 3 vom 09.04.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 12 Minuten 57 Sekunden.

Drei Kategorien von unlauteren Finanzströmen

Die Milliarden, die abfliessen, werden unter dem Begriff «Illicit Financial Flows» zusammengefasst, zu Deutsch: unlautere Finanzströme. Diese lassen sich in drei Kategorien fassen: Steuervermeidungs-Tricks von Firmen, kriminelle Aktivitäten und Korruption.

Dabei spielten korrupte afrikanische Politiker nicht die Hauptrolle, welche ihr Geld ausser Landes brächten, macht Braganza klar. Viel mehr machten dem afrikanischen Kontinent meist grosse, internationale Unternehmen zu schaffen.

Mit ihren Steuervermeidungs-Tricks seien sie hauptverantwortlich für die Milliardenabflüsse, pflichtet auch Porter McConnell bei, Direktorin der Financial Transparency Coalition. Das internationale Netzwerk aus Regierungen, Vertretern der Zivilgesellschaft und Experten arbeitet auf das Ziel hin, unlautere Geldabflüsse zu verhindern.

Steuertricks führen zu absurden Situationen

Einen Grossteil der Geldabflüsse machten mit 50 bis 60 Prozent die Steuertricks der Unternehmen aus. 30 bis 35 Prozent der Ausfälle würden unter kriminelle Aktivitäten wie Drogen- oder Menschenhandel fallen und nur gerade 3 bis 5 Prozent gehen durch staatliche Korruption verloren, zählt McConnell auf.

Die multinationalen Firmen bedienen sich verschiedener Tricks, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. In dem ein Unternehmen beispielsweise vorgibt, dass es einen wichtigen Teil seines Geschäfts in einem anderen Land mit tieferem Steuerfuss abwickle. Womit das Unternehmen insgesamt weniger Steuern bezahlt. Zusätzlich fliessen die Steuern auf jeden Fall nicht in die Staatskasse desjenigen afrikanischen Landes, in dem das Unternehmen tatsächlich tätig ist.

Diese Tricks führen zu absurden Situationen, wie Porter McConnell veranschaulicht. So habe in Ghana die ausgeklügelte Steueroptimierung von SAB Miller, dem zweitgrössten Brauerei-Konzern der Welt, soweit geführt, dass der Konzern sogar weniger Steuern zahlte, als eine beliebige ghanaische Verkäuferin, welche Bier auf der Strasse anbot.

Lasche Gesetzgebung begünstigt Steuerkonstrukte

Dass Afrika besonders von illegalen Geldabflüssen betroffen ist, liege auch am Gewicht der Roh-Stoff-Branche, erklärt Porter McConnell. Rund ein ein Drittel der weltweiten Mineralreserven lägen in Afrika, der Kontinent steuere einen Zehntel der weltweiten Ölproduktion bei. Zudem hätten Studien gezeigt, dass die Öl-Industrie und der Bergbau besonders anfällig für Geldabflüsse seien.

Hinzu kommt, dass viele afrikanische Länder politisch instabil sind, womit die Prioritäten der Regierungen nicht bei höheren Steuern für Multis liegen dürften. Nicht zuletzt tragen einige afrikanische Länder mit ihrer Gesetzgebung auch zu den Steueroptimierungs-Tricks von multinationalen Konzernen und Privatpersonen bei.

«So ist es beispielsweise in Kenia weltweit am einfachsten, eine Briefkastenfirma aufzumachen», sagt die Direktorin der Financial Transparency Coalition.

Keine globale Steuerkontrolle

Die Milliarden, die den afrikanischen Länder jedes Jahr entgehen, sind schon lange auf der Agenda der betroffenen Staaten. Die Ursachen und Auswirkungen des Phänomens sind bekannt. Insbesondere nachdem letztes Jahr ein Bericht zum Thema präsentiert wurde. Die Ausarbeitung unter der Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten, Thabo Mbeki, hatte vier Jahre gedauert.

Letzten Sommer forderten dann an der UNO-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung diverse afrikanische Länder, dass eine neue UNO-Organisation gegründet werden solle, um die globale Kooperation in Steuerfragen zu organisieren.

Der Vorschlag kam nicht durch, wie Porter McConnell bemängelt. Denn: Somit blieben die Industrienationen im Rahmen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) federführend, wenn es darum ginge die Architekten der globale Steuerstruktur zu sein. «Und die Industrie-Nationen haben eben andere Bedürfnisse, als die afrikanischen Länder.»

Änderung nur mit weitreichenden Regulierungen

Das prangert auch Jason Braganza von Tax Justice Networt Africa in Kenia an. Das Problem der Geldabflüsse könne nur gelöst werden, wenn alle Staaten mitarbeiteten. «Die Finanzinstitute und die ganze Steueroptimierungsindustrie in Ländern ausserhalb Afrikas müssen ihre Regulierungen und ihre Praxis verschärfen», fordert Braganza.

Denn solange die internationale Finanzarchitektur gleich bleibt, werden korrupte Politiker, Drogenbosse, Menschschmuggler genauso wie geldgierige Grossfirmen ihre Dollars verstecken können. Und die Milliarden werden weiterhin fehlen, welche afrikanische Länder so dringend für ihre Entwicklung brauchen.

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