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International Polens unbeliebter Premier bleibt Parteichef

Polens Wirtschaft schwächelt. Dafür verantwortlich gemacht wird der Premierminister Donald Tusk. Die Bevölkerung mag ihn zunehmend weniger. Die Parteimitglieder haben ihn jedoch als Vorsitzenden bestätigt.

Donald Tusk vor den Ergebnissen der parteiinternen Umfrage.
Legende: Donald Tusk erhielt fast 80 Prozent der Stimmen der Parteimitglieder. Er ist trotzdem nicht unumstritten. Keystone

Polen hat den europäischen Wirtschafts- und Finanzwirren bisher erfolgreich getrotzt. Als einziges Land der EU ist es seit Ausbruch der Krise vor fünf Jahren nie in die Rezession geraten.

Das ist auch ein Verdienst des liberalen Premierministers Donald Tusk, der das Land bisher solid regiert hat. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass auch Polen keine Insel der Seligen ist: Die Wirtschaft stagniert, die Arbeitslosigkeit steigt, die Menschen werden unzufriedener. Der erfolgsverwöhnte Regierungschef sieht sich zunehmend harter Kritik ausgesetzt.

Architekt des Aufschwungs

Die letzten Wahlen vor zwei Jahren gewann die Bürgerplattform von Donald Tusk fulminant. Polen ging es gut, der Premier ritt als Architekt des polnischen Aufschwungs auf einer Erfolgswelle.

Heute ist alles anders: Von der Dynamik der vergangenen Jahre ist nicht mehr viel zu spüren, die Wirtschaft krebst, die Menschen murren. Und auch jetzt wird der Regierungschef wieder für die Entwicklung verantwortlich gemacht. Diesmal ist es zu seinen Ungunsten.

Tusks Beliebtheit ist dramatisch eingebrochen, und seine Partei wird in Mitleidenschaft gezogen. Gemäss den jüngsten Umfragen liegt die Bürgerplattform fast zehn Prozent hinter der national-konservativen Partei «Recht und Gerechtigkeit» von Jaroslaw Kaczynski zurück. Tusk wird deshalb auch in den eigenen Reihen infrage gestellt. Er musste als Parteichef vorzeitig einer internen Wahl stellen. Die Mitglieder hatten einen Monat Zeit, ihre Stimme brieflich oder im Internet abzugeben. Nun wurde bekannt: Tusk bleibt Parteichef.

Doch das klare Ergebnis von fast 80 Prozent der Stimmen täuscht: Dass überhaupt ein Jahr früher als vorgesehen abgestimmt wurde, gilt als deutliches Zeichen für Tusks Schwäche. Seine innerparteilichen Widersacher sind erstarkt. Sie werfen dem Premier vor, vom wirtschaftsliberalen Erfolgskurs abzuweichen und dringend nötige Reformen zu verschleppen. Statt die Schulden zu senken, erhöhe sie Tusk noch.

Schuldenbremse wie in der Schweiz

Polen, das als erstes EU-Land die nach Schweizer Vorbild entwickelte Schuldenbremse in seiner Verfassung verankert hat, muss diese jetzt lockern, wie der Premier im Parlament bekannt gab:

Das Haushaltsdefizit wird um 16 Milliarden Zloty - umgerechnet fünf Milliarden Franken – aufgestockt. Damit übersteigt die Verschuldung den verfassungsrechtlich zulässigen Wert von 50 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Das Aussetzen der Schuldenbremse sei unentbehrlich, sagte Tusk. Wachstumsimpulse kämen jetzt vor Sparmassnahmen.

Diese Haltung hält der Warschauer Ökonom Bohdan Wyznikiewicz für gefährlich. Die Staatsausgaben in Polen seien zu hoch, speziell mit Blick auf die Einnahmen. Denn aufgrund der stockenden Wirtschaft seien die Steuereinkünfte massiv eingebrochen.

Sozialleistungen kürzen?

Wyznikiewicz sieht deshalb vor allem Handlungsbedarf bei den Sozialleistungen. Speziell die komfortablen Bedingungen für Frührentner und die Zuschüsse bei den Gesundheitskosten müssten dringend reduziert werden.

Wyznikiewiczs Ökonomen-Kollege Cesary Kowanda sieht bei der Bürokratie weiteren Handlungsbedarf. So sei etwa der polnische Arbeitsmarkt extrem reguliert, was die Risikobereitschaft der Firmen hemme.

Die Folge dieser Übervorsicht: Die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit von 13 Prozent steigt wieder, der Konsum – die treibende Kraft des Wachstums der letzten Jahre – bricht ein.

Keine mutigen Vorstösse mehr zu erwarten

Sowohl Wysnikiewicz wie Kowanda meinen, Tusk habe den Moment verpasst, um mit einschneidenden Reformen die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu stärken. Dass er die Gelegenheit nicht nutzte, als er noch fest im Sattel sass, verstehen die beiden Ökonomen nicht. Jetzt, unter dem Eindruck sinkender Umfragewerte, seien von ihm kaum noch mutige Vorstösse zu erwarten.

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